Soziale Einstellung

Als Kind einer Arbeiterfamilie bin ich vermutlich mit einer gewissen sozialen Einstellung groß geworden. Obwohl ich, rückwirkend betrachtet, das noch einmal genauer betrachten müsste. Aber das mache ich mit mir aus, das ist kein Thema für euch. Mitten im Ruhrgebiet ansässig, für die ersten dreißig Jahre meines Lebens, waren SPD zu wählen und in der IG Metall zu sein einfach unkündbare Gesetze.



Ich habe damals bei Hoesch in Dortmund miterlebt, wie die Arbeiter gegen die Übernahme durch Thyssen, namentlich Herrn Cromme, kämpften und auf die Straße gingen. Wir waren bei Streiks gefühlt wirklich unter Druck und die Themen (vielleicht sogar) gewichtiger. Aber das ist lediglich eine subjektive Betrachtung aus meinen Erinnerungen, die sicherlich eher romantisch verklärt sind, als faktisch korrekt. Ich will damit natürlich keinesfalls behaupten, die heutigen Themen wären nicht wichtig oder eher »nice to have«, wie man so sagt. Nein, vielmehr sehe ich, dass es heute um ein Vielfaches wichtiger ist, sich zu vereinen und Themen in die Gesellschaft zu bringen.
Warum ich das so ausdrücken möchte? Nun, aus den aktuellen eigenen Erfahrungen im konkreten Umfeld sehe ich, dass sich jeder nur noch selbst der Nächste ist. Ja, ein gewisses Quäntchen Egoismus sei jedem Menschen gegönnt. Doch meine ich, dass sich etwas über die letzten Jahre verschoben hat. Ob das nun an Corona lag oder ob diese Verschiebung schon länger abzusehen ist, kann ich gar nicht beurteilen. Vor allem könnte ich es nicht belegen. Ich habe nur meine eigenen Erfahrungen und Eindrücke aus dem täglichen Leben.
Während bei mir dieser Wandel eigentlich genau andersherum verlaufen ist, igeln sich immer mehr Menschen ein und haben (vermutlich) extreme Existenzängste. Bei mir kam diese Einstellung damals nach einem folgenschweren Motorradunfall, der erst beinahe mein Leben beendet hätte und mich dann aber nahe an den sozialen Abstieg brachte. Damals habe ich alles getan, um meine Familie und mich zu schützen. Nach einiger Zeit fiel mir auf, wie Grund falsch das war (und ist). Es geht nur mit der Gemeinschaft. Wenn die Gemeinschaft nicht zusammenhält und einander auffängt, sind wir alle verloren. Ich änderte tatsächlich einfach alles und siehe da, das Leben war schön und die Angst vergangen.
Was mich umtreibt ist, dass ich nicht weiß, wie man den Menschen das wieder beibringen kann. Dass sie wieder offenen Herzens auf andere Menschen zugehen, helfen, zuhören und als Gemeinschaft auftreten. Etwas ist zerbrochen in den Menschen und ich kann es nicht packen, weiß nicht, was es ist. Was ist der Kitt, der die Gesellschaft zusammenbringt? Unabhängig von der Politik müssen die Menschen doch gemeinsam wehrhaft sein. Das sehe ich nicht mehr.

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