Losless

Wir alle sehen, was in der Welt passiert. Viele Menschen sind in irgendeiner Form im Internet unterwegs. Sie betreiben vielleicht sogar eigene Webseiten, sie sind in Chatgruppen integriert oder in einer der vielen sozialen Medienplattformen aktiv. Die große Masse läuft über BigTech. Damit sind vornehmlich die großen Anbieter von Dienstleistungen aus dem Silicon Valley gemeint. Ich denke, ich muss die jetzt nicht einzeln aufzählen, aber Meta, Google, Microsoft oder Apple sollten hinlänglich bekannt sein.

In den USA passieren nun Dinge in der Regierung, die sehr aufwühlend sind und uns aufwachen lassen. Ich weiß, es ist anmaßend zu behaupten, dass wir erst jetzt den Irrsinn bemerken, viele Menschen haben das schon viel länger gewusst und auch davor gewarnt. Es ist jetzt so und auch bei mir hat das einen recht aufweckenden Effekt gehabt. Wer mir auf Mastodon folgt, hat vielleicht mitbekommen, dass ich mich seit einiger Zeit mit dem Gedanken trage, aus dem goldenen Käfig von Apple auszubrechen. Unsere kleine Familie nutzt seit mehr als 20 Jahren Apple Hardware und seit dem es die Online-Dienste aus Cuppertino gibt, eben auch diese.

Anfänglich tat ich mich sehr schwer damit. Der Gewöhnungseffekt ist gewaltig. Wenn man mit dem Rauchen aufhören möchte, ist das im Grunde ein ähnlicher Vorgang. Mehrfach hatte ich Software ersetzt, bin aber nach einigen Monaten, manchmal nur Wochen, wieder zurück zur Software aus dem AppStore. Das war ein nerviges Prozedere. Der Grund, warum ich überhaupt mit dem Gedanken spielte, die Nutzung von Computern zu ändern, war schlicht und ergreifend die Erkenntnis aus der nun jahrelangen Erfahrung, die ich durch das Lesen von Artikeln zu Datenschutz und Privatsphäre gewonnen hatte. Klingt auch wieder banal und geradezu lachhaft, aber wenn man in dieses Gefüge aus funktionierenden Diensten und Sicherheitsversprechen aufgegangen ist, fällt der Weg hinaus unfassbar schwer.

Schon vor Jahren kehrte ich verschiedenen Diensten den Rücken. Ich glaube, Facebook ist bereits 10 Jahre her, Instagram hatte ich ganz am Anfang seiner Einführung benutzt und auch ansonsten versuchte ich einen Bogen um die Fallen der Marke Zuckerberg zu machen. Dafür nutzte ich zum Beispiel Google+, aber auch nur kurz. Der längste von mir genutzte Dienst bleibt Twitter, was heute schlicht X genannt wird. Der Abschied kam mit dem Kauf der Plattform durch Elon Musk. Wie viele andere verließ ich Twitter und fand ein neues Heim im Fediverse. Dort sind es Mastodon und Pixelfed, die ich vornehmlich nutze. Und um es gleich zu sagen, ich vermisse nichts.

Der letzte Weckruf war dann das, was in den USA passiert und das, was uns in Europa und leider vermutlich auch in Deutschland bevorsteht. Die Nazis gewinnen an Einfluss, der Faschismus ist wieder salonfähig und der Journalismus versagt auf breiter Front (ja, es gibt sehr gute Ausnahmen). Als ich mir dann angesehen habe, wo meine Daten aktuell gespeichert werden, habe ich mir die Vertrauensfrage gestellt. Die Antwort war recht einfach: Auf keinen Fall möchte ich meine Daten kampflos den Faschisten überlassen (neben allen anderen Dingen, die sie nicht kampflos einfach nehmen können). Das bedeutet schlicht und ergreifend, dass der erste Schritt sein muss, meine Daten von den fremden Servern zu entfernen.

Da ich die iCloud von Apple wirklich intensiv genutzt hatte, war mir schon klar, dass dieser Schritt nicht einfach wird. Ich habe zuerst alle Daten lokal gespeichert, die ich weiterhin benötige. Danach schaltete ich die Synchronisierung ab und fing an, zu löschen, was zu löschen geht. Dabei fiel mir auf, dass es gar nicht so einfach ist seine Daten aus der iCloud zu entfernen. Es scheint ein paar Fehler in der Implementierung zu geben, sodass nicht immer klar ist, ob die Daten nun gelöscht sind oder nicht. Auffällig ist für mich, dass trotz ausgeschalteter Dienste plötzlich wieder Daten von Programmen in der Speicherbelegungsliste angezeigt werden, die ich eigentlich gelöscht hatte. Das ist wenig vertrauenerweckend und bestätigt damit meinen Entschluss grundsätzlich.

Weil ich aber auch mobile Geräte verwende, wollte ich auf eine Synchronisierung nicht gänzlich verzichten. Im letzten Jahr hatte ich bereits mit einem gemieteten Server versucht, in einer Linux-Umgebung die NextCloud zu installieren und zu betreuen. Das hat mit viel Hilfe aus dem Fediverse (Danke!) und dem Internet auch geklappt. Allerdings erschien mir der Pflegeaufwand für mich viel zu hoch. Die Zeit, das ordentlich zu betreuen, fehlte mir einfach. Aber ich hatte einen Eindruck gewonnen, was mit anderer Software möglich ist.

Mit dem Wissen aus meinem Versuch traf ich vor einigen Tagen die Entscheidung, mir eine entsprechende Hardware für den Anschluss an den Router zu kaufen. Die Wahl fiel auf die NextBox von NitroKey, eine in Deutschland ansässige Firma für Datensicherheit. In der NextBox steckt ein RaspberryPi und Debian Linux, installiert ist die NextCloud. Jetzt habe ich also meine eigene Cloud in meiner Wohnung und eine Sorge weniger. Auch der Zugriff von Unterwegs ist möglich. Das ist sehr erfreulich.

Im Zuge meiner grundlegenden Gedanken habe ich auch großflächig die Software gewechselt. Ich nutze auf den Desktoprechnern und Laptops weitestgehend bekannte Open-Source-Software. LibreOffice, Thunderbird, KeePassXC etc. Das Linux-Laptop wird mit TuxedoOS betrieben, das sich meiner Meinung nach bisher am besten für mich eignet und auch auf die Hardware angepasst ist. Natürlich gibt es immer noch ein paar Dinge, die ich machen kann und ein paar, die ich machen muss, aber ich bin nach nur wenigen Tagen weitestgehend frei von BigTech. Selbstverständlich gibt es andere Wege das zu bewerkstelligen, das hier ist halt meiner.

Es ist ein gutes Gefühl. Da ist plötzlich weniger Druck im Kopf, weil mich das schon seit längerer Zeit beschäftigt hat. So gab es meinen ersten Account im Fediverse bereits 2018. Den nutzte ich zwar kaum, aber seitdem geisterten diese Überlegungen in mir herum. Jetzt habe ich vieles umgesetzt und bin zufrieden. Die Lehre daraus ist, dass niemand auf BigTech angewiesen sein muss. Natürlich gibt es auch hier Ausnahmen. Eines der am häufigsten genannten Argumente ist (und war auch meins), dass man sich ja gar nicht damit auskennen würde. Klar, ich wusste das auch alles nicht. Aber wenn man sich mit der Materie beschäftigt und das klare Ziel gesetzt hat, BigTech zu verlassen, sollten jedem User die eine oder andere Maßnahme möglich sein. Es muss ja gar nicht der große Rundumschlag sein. Klein anfangen, Schritt für Schritt. Damit sammelt man Erfahrung und irgendwann, ohne dass man es merkt, ist man raus aus der Nummer.

Ich für meinen Teil werde weiterhin versuchen zu hinterfragen, von welchem Unternehmen ein Dienst angeboten wird. Ist es BigTech, werde ich Alternativen suchen und nutzen. Ich weiß jetzt ganz sicher, dass es diese gibt und sie auch nutzbar sind. Meine bisherige Konvertierung war sozusagen „Losless“, um noch etwas Apple-Sprech im letzten Satz unterzubringen und endlich den Bezug zum Titel herzustellen. 🙂

 

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