Piece of Mind

Ich höre mir das Album „Piece of Mind“ von „Iron Maiden“ an. Das habe ich bereits vor mehr als 30 Jahren gemacht. Damals war ich ein Teen. So wie unsere Teen heute. Na, nicht ganz, sie ist jetzt schon etwas älter als ich damals war. Während ich die Lieder höre und die Texte lese, kommen ganz viele Erinnerungen an damals in mir hoch. Mein Kopf zieht plötzlich diverse Querverbindungen zu meinem Leben heute und versucht zu verstehen, was das bedeutet.

Die 80er waren für mich der Übergang von einem Kind zum jungen Mann. Mit allem, was dazugehört. Höhen und Tiefen. Und doch war es anders, als ich das heute von den jungen Menschen erlebe. Klar, die Gesellschaft insgesamt verändert sich, Kinder erlernen Fähigkeiten zu anderen Zeitpunkten als wir früher. Aber das meine ich gar nicht. In meinem Kopf flippern die Gedanken gerade sehr hin und her. Ich versuche, das strukturiert niederzuschreiben.

Es folgen jetzt einige Beispiele von Dingen, die wir damals erlebt haben, die wir einfach gemacht haben, und es war einfach normal für uns. Die tatsächlich älteste Erinnerung in mir ist aus einer Zeit, da muss ich zwischen 10 und 13 Jahren alt gewesen sein. Wir wohnten in einer Siedlung. Neue Heimat hieß die Gesellschaft damals, die einige Schlagzeilen in den Nachrichten gemacht hatte. Vielleicht erinnert sich noch jemand daran. Jedenfalls waren wir eine Gruppe von Kindern, alle in etwa im selben Alter. Unser Treffpunkt war oftmals die Tischtennisplatte auf dem Spielplatz zwischen den Häusern. Natürlich besaßen wir alle die notwendige Ausrüstung für ein ordentliches Match an der Platte. Wenn wir zu viele waren, spielten wir „Rundlauf“. Alle stehen verteilt an den Kopfenden der Platte. Einer fängt an mit dem Aufschlag und rennt dann um die Platte zum anderen Kopfende. Auf der anderen Tischseite spielt der erste Spieler den Ball zurück und rennt ebenfalls um die Platte, um sich wieder hinten anzustellen. Das geht immer so weiter, bis jemand nicht schnell genug ist oder einen Fehler macht. Dieser Spieler scheidet dann aus. Die zum Schluss übrig bleiben, spielen dann ein normales Match, bis einer gewinnt. Soweit klar, denke ich. In der Nachbarschaft gab es einen Jungen, der aufgrund spastischer Lähmungen schwer gehbehindert war. Auch mit seinen Händen hatte er enorme Schwierigkeiten. Aber einen Tischtennisschläger konnte er halten und auf die Platte gestützt war er auch in der Lage, um den Tisch zu laufen. Ganz selbstverständlich hat er mitgespielt, wenn er draußen war. Es gab darüber gar keine Diskussion. Das war normal. Und damit er nicht immer der Erste war, der die Platte wieder verlassen musste, wurde halt etwas langsamer gespielt und Rücksicht genommen.
Heute würde das vermutlich schon an der fehlenden Tischtennisplatte scheitern. Oder an Spielplätzen.

Die nächste Erinnerung ist später angesiedelt. Ich spielte erst in einem Fußballverein. Aber, als das in dem Verein ganz komisch wurde, weil plötzlich die Führung auf unbedingten Erfolg drückte und Geld im Spiel war, wechselte ich in die Freizeitliga. Dort spielten bereits einige Bekannte von mir, somit war der Wechsel recht einfach. In meiner Mannschaft spielten auch zwei Brüder. Einer von beiden war schwul. Aber das habe ich erst viel später erfahren, bzw. mitbekommen. Das war nämlich überhaupt kein Thema bei uns. Es gab nicht dieses merkwürdige Verhalten von Männern, die sich nach einem Spiel umarmen, aber bei dem einen geht man deswegen auf Abstand. Nein. Die grundsätzliche Überzeugung war simpel: Das geht uns nichts an. Keine dummen Sprüche. Keine Anfeindungen. Wir haben zusammen Fußball gespielt, geduscht, Bier getrunken und unsere Siege gefeiert oder Niederlagen betrauert.
Immerhin habe ich von dem Freund den Begriff „Barschlampe“ gelernt. Falsch betont, habe ich erst nicht verstanden, was er zu mir gesagt hatte. 🙂

Die von mir aufgeführten Beispiele sollen nicht zeigen, dass wir damals engelsgleich waren. Auf keinen Fall. Aber der Umgang untereinander war anders, als ich das heute vielfach erlebe. Unserer Tochter, die in diesem Jahr volljährig wird, haben wir hoffentlich vieles davon mit auf den Weg gegeben. Und immer, wenn ich genau das hoffe, trifft mich wie ein Blitz der Gedanke, dass ich andererseits nicht hoffe, dass sie wie ich oftmals dieser Welt fassungslos gegenübersteht. Ich verstehe das Verhalten der Menschen heute nicht mehr. Sie sind mir fremd und ich merke, wie ich mich innerlich immer mehr zurückziehe. Diese grundlose Gewalt, dieser Neid und all die Missgunst. Nein, so war ich nie und so werde ich mich auch nie verhalten. Das ist, was die beiden Beispiele ausdrücken sollten.

Schwarz-Weißer Kater liegt mit dem Körper auf seinem Katerbett, mit dem Kopf auf einem Liegekissen. Sein Schwanz ist um die Pfoten gezogen, die Augen fast geschlossen.
Kater müsste man sein.

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