Das Auto und ich

Viele Menschen haben meine Beziehung zum Auto nie verstanden oder verstehen wollen. Autos waren und sind für mich immer Gebrauchsgegenstände gewesen. Na gut, außer in diesen 4 Jahren, als ich mal ein Auto fuhr, weil ich es geil fand. Hatte sich dann aber mit der ersten Reparaturzahlung erledigt.

Als ich den Führerschein machte, das war 1988, gab es die Option gar nicht, keinen zu machen. Außer, man wollte sich gesellschaftlich ächten. Wer keinen machen konnte galt umgehend als armer Schlucker. Wenn du einen hattest, aber kein Auto, wurdest du noch so gerade akzeptiert. Immerhin konnten sie dich dann als Chauffeur für die Disco gebrauchen.

Trotz Führerschein und Auto fuhr ich eine zeitlang mit dem Rad zur Arbeit. Das waren 12 Kilometer und auf dem Rückweg, also nach der Schicht, ging es nur bergauf. Das habe ich dann auch nicht allzu lange gemacht. Und der Weg mit den Öffis zur Arbeit war, nun, sagen wir es diplomatisch, eine Frechheit. Ich wohnte nicht in der Innenstadt, sondern musste aus einem Vorort in die Stadt fahren.

Aber um es mal auf den Punkt zu bringen, ein Auto wirklich gebraucht habe ich erst ab 2004. Durch einen Umzug wurde der Weg zur Arbeit auf 80 Kilometer für eine Fahrt gestreckt. Öffis und Fahrrad waren damit nicht mehr möglich. Also pendelte ich ab 2004 täglich 160 Kilometer jeden Werktag. Um den Wahnsinn zu verdeutlichen: Je nach Staulage waren das die A42 oder die A40 vom Niederrhein in den Ruhrpott und wieder zurück. Oben drauf kamen dann irgendwann noch die Dienstreisen.

Anfänglich nahm ich dazu noch ein sehr, sehr großes Auto. Aber ich kam dann recht schnell zu der Einsicht, dass ich den Tankwagen nicht ständig hinter mir herfahren lassen konnte. Also leaste ich kurzerhand einen Kleinstwagen. Das war zwar wenig komfortabel auf deutschen Straßen, aber mein Gewissen und mein Geldbeutel waren etwas beruhigt. Die Kleinstwagen leaste ich dann alle 4 Jahre neu. Das ging bis 2017, aber dann gab es einen Eklat mit dem Kleinstwagenhersteller und ich beschloss, diesem keinen einzigen Cent mehr zu überlassen.

Dummerweise war ich aber auf das Auto angewiesen. Leasen wollte ich auch nicht mehr. Also, Kauf eines Neuwagens. Der Händler war nicht sonderlich angetan von meiner Wahl. Alles Standardausführung, keine Extras. Nicht mal eine Farbe mit Zusatzkosten konnte er mir andrehen. Immerhin war es ein etwas größeres Auto, weil wir auch planten mit den Snowboards in die Berge zu fahren.

Dann kam Corona und alles änderte sich. Seit Februar 2020 arbeite ich ausschließlich im Home Office. Meine Arbeit kann grundsätzlich so gestaltet werden. Dass ich all die Jahre pendeln musste, war nur dem Kontrollzwang meines Arbeitgebers und, man höre und staune, dem Betriebsrat geschuldet. Der Betriebsrat wollte Home Office nicht als Betriebsvereinbarung abschließen, weil ja die Arbeiter in der Fabrik daran nicht teilhaben können. Aber darüber möchte ich mich hier nicht auslassen. Mein direkter Vorgesetzter erlaubte mir seit 2010 nach Dienstreisen und je nach Arbeitsaufkommen, hin und wieder im Home Office zu arbeiten.

Jetzt sitze ich im dritten Jahr zu Hause und alle, die zuvor kein Home Office gemacht hatten, oder aber sogar der Meinung waren, dass das Arbeiten so nicht funktionieren würde, mussten sich nun eingestehen, dass es geht. Es geht sogar wunderbar, wenn man ein paar Dinge berücksichtigt. Das Auto habe ich seit 2020 ca. 2x vollgetankt. So wenig bin ich gefahren. Wir haben hier alles leicht zu Fuß oder per Rad in erreichbarer Nähe.

Zwischendurch bin ich auf Twitter über Katja Diehl und ihr Thema gestolpert. Und tatsächlich behandelt sie in ihrem gleichnamigen Buch viele der Dinge, die mir seit dem Stillstand des Autos auf dem Hof, auch durch den Kopf gingen. Katja hat es allerdings geschafft, all das in vernünftige Wörter und Visionen mit einem ganzheitlichen Ansatz zu packen. Zu allem Überfluss ist mir vor ein paar Tagen aufgefallen, dass das Auto keinen TÜV mehr hat. Im Januar abgelaufen. Und nun rattert es in meinem Kopf, was für uns als Familie möglich ist. Ganz ohne Auto ist für mich persönlich aus gesundheitlichen Gründen schwierig. Nicht unmöglich, aber schwierig.

Vermutlich würde ich an die Schwierigkeiten nicht denken müssen, wären viele der Ansätze von umgesetzt. Ich sehe in den Überlegungen von Katja Diehl mittlerweile die einzige Möglichkeit, die Mobilität und die Umwelt gleichermaßen zu verbessern und zu schützen. Für mich wird es vermutlich zeitlich nicht mehr reichen, aber ich hoffe für meine Kinder und Enkel, dass der Standard wird, wenn wir über Mobilität denken, sprechen, diskutieren und vor allem umsetzen.

Noch ein Buch, das ihr lesen solltet.

Ruhe

Innere Ruhe. Verinnerlichte Ruhe. Gelebte Ruhe. Einfach nur Ruhe. Ohne Stress. Ruhig auf das Leben blicken können ist ein Privileg. Ich kann das erst jetzt genießen. In den letzten Jahren war mir das wohl nicht möglich, sonst würde mir jetzt nicht so auffallen, wie ruhig ich tief in mir bin. Seit Monaten habe ich nicht mit dem Auto fahren müssen. Gut, einmal zur großen Tochter über die Autobahn für 80 Kilometer. Ansonsten keinen Meter. Es ist mir geradeso, als wenn all das einfach abgefallen wäre, seit dem ich nicht mehr regelmäßig über die Straßen und Autobahnen fahren muss.

Bisher hielt ich mich auch für einen Fahrer, den weder Stau noch andere Störungen auf der Straße groß etwas anhaben könnten. Schon aus dem Grund, dass ich seit knapp 20 Jahren viel fahren muss und mir einige Erfahrung zur Verfügung steht. Aber jetzt merke ich, was das bisher mit mir gemacht hat. Ständige Anspannung, immer konzentriert auf die Straße achten, hohe Geschwindigkeiten (von anderen Verkehrsteilnehmern) und der Kopf ist immer eingeschaltet. Da nützen die Hörbücher nichts und Nachrichten sind ja auch nicht immer nur voller freudiger Ereignisse.

Wenn ich heute hier sitze und mich über die Scheibe Käse ärgere, die ich nicht richtig auf das Brot gelegt habe (das ist ein plastisches Beispiel), dann ist es nur allzu deutlich, was die Fahrerei mit mir persönlich gemacht hat. Was ganz klar für mich bedeutet, dass ich alles daran setzen muss, diese Ruhe zu bewahren. Den Zustand zu halten. Was in der Konsequenz bedeutet, dass ich auf gar keinen Fall wieder dieses Pensum auf der Straße abreißen will. Und vielleicht muss ich das auch gar nicht mehr.

Natürlich gibt es neben dem Autofahren noch andere Dinge, die auch Stress verursacht haben und verursachen werden. Doch bin ich fest davon überzeugt, dass das Fahren auf unseren Straßen der größte Anteil am Stresslevel ist.