Eltern und Kinder

Eltern und Kinder

Seit dem ich im Home Office viel auf der Terrasse arbeiten kann kriege ich auch viel von dem mit, was so in der Nachbarschaft abläuft. Es gibt da lustige Dinge, es gibt anstrengende Dinge und es gibt diese Dinge, die mich unendlich wütend machen.


Um uns herum wohnen viele Familien mit Kindern. Einige Schulkinder, andere sind Kleinkinder, wieder andere im Kindergartenalter. Selbstverständlich ist es da laut, wenn die Nachmittags, bzw. morgens in den Ferien, in den Höfen und Einfahrten spielen. Spielende Kinder sind etwas schönes und sollten dazu auch die Möglichkeiten haben. In unserer Straße, einer Spielstraße, ist es zum Glück so. Das sind die schönen Dinge. Die weniger schönen haben grundsätzlich mit den Eltern der Kinder zu tun.

So zum Beispiel der Nachbar auf der rechten Seite, der seine Tochter grundsätzlich mit „Eyh!“ anschreit, so wie seine Hunde und seine Frau. Dann wundern sie beide sich, dass die Tochter in einer Tour laut brüllend ihre Meinung kund tut. Die Tochter ist auch die, die seit diesem Jahr in den Kindergarten geht. Der ist 150 Meter von hier entfernt und die Mutter fährt sie mit dem Auto dahin. Ich frage mich, was für eine Art Mensch das später sein soll, der da aufwächst.

Gegenüber sind neue Leute eingezogen. Anfänglich war alles super, sie haben das Haus renoviert und viel daran gemacht. Der Mann hatte wohl Pandemie bedingt auch Home Office. Jetzt ist er wieder arbeiten und die Frau brüllt jeden Morgen ihr Kindergartenkind zusammen. Das Kind schreit, sie brüllt zurück, brüllt ihr die Schuld für das angebliche Zuspätkommen ins Gesicht, das Kind weint, sie schreit es bis ins Auto. Heute früh hat sie sich komplett demaskiert in dem sie in ein hysterisches Geschreie verfallen ist. Was soll das werden?


Ich habe heute gezwungenermaßen zugehört (wie der Rest der Straße sicherlich auch) und tief in mich hineingeschaut. Nein, ich habe meine Kinder nie angeschrien. Schon gar nicht so. Die älteste Tochter ist mittlerweile 30 Jahre, die Jüngste wird bald 13. Denn Sinn eines Wutausbruches als Erwachsener bei einem Kind habe ich nie verstanden. Wenn ich jemanden anschreie oder in Grund und Boden brülle, macht das nichts besser und das Signal ist so falsch wie nur etwas falsch sein kann.


Vielleicht sind wir hier mit unserer Art und Weise nah an dem was Antiautoritär genannt wird. Ich bin aber der Meinung, dass das Heranwachsen eines Kindes viel komplexer ist, als dass wir dafür einfache Begriffe hernehmen könnten. Auch Erziehung ist so ein Wort, bei dem ich nicht weiß, ob es richtig ist. Für mich steckt da das Wort „ziehen“ drin. Ich möchte nicht einen Menschen in eine Richtung ziehen, von der ich denke sie ist richtig. Ich möchte, dass sich der Mensch in eine Richtung entwickelt, die für ihn die richtige ist. Dabei kann ich unterstützen, vertrauen und respektieren. Aber ziehen? Nein, das erscheint mir falsch. Brüllen und klein machen am allerfalschesten.

Homeschooling

Seit Wochen sind die Schulen mit gutem Grund geschlossen. Die Kinder müssen zu Hause von den Eltern bei den Aufgaben unterstützt werden. Für viele Eltern ist das eine ungemeine Belastung und führt durch die Fülle an Aufgaben zu immenser Anspannung. An dieser Stelle möchte ich eine Lanze für unsere Schule brechen.

Die Lehrer haben sich zusammengesetzt, virtuell natürlich, und sich Gedanken gemacht. Die Digitalisierung ist hier, wie bei vielen anderen Schulen, im Grunde nie ein Thema gewesen. Deswegen war es schlicht nicht möglich, von heute auf morgen ein entsprechendes Programm aufzubauen.

Die Aufgaben der Kinder kamen dann, in Abstimmung mit den Eltern, per E-Mail. Wer keinen Drucker zur Verfügung hatte, konnte die Arbeitsblätter auch per Post erhalten. Viele Aufgaben aber waren schon in den entsprechenden Arbeitsheften enthalten. Zum Beispiel konnten die Kinder sich ein Buch ihrer Wahl aussuchen, mit dem sie dann lesen üben sollten. Es gab in Französisch eine Lektion über den Senegal, in der im Internet ein Video und ein Text zu lesen waren (auf Deutsch), danach sollten Fragen beantwortet werden. Es gab auch eine Geschichte aus dem Senegal, die die Kinder bereits als Heft vorliegen hatten. Zusammen aus diesen Materialien wurden Fragen beantwortet, Vokabeln gelernt und ganz nebenbei viel über Senegal.

Für Sport sollte Jonglieren mit Bällen geübt werden. Mathe fand nur im Arbeitsheft statt. Es gab viele, viele Wiederholungen, um das Wissen zu festigen. Nur in Deutsch mussten neue Regeln auswendig gelernt und im Arbeitsheft angewendet werden. Alles in allem waren die Aufgaben durchgehend so dosiert, dass die Kinder nicht überfordert waren. Natürlich wurde in den Wochen nicht so gelernt, wie in der Schule.

Jetzt kommt aber das große Aber! Wir konnten hier an unserer Tochter eine Veränderung feststellen. Sie übernahm und übernimmt immer noch, die Verantwortung für ihre Schulaufgaben. Alles wird selbstständig erledigt, nur da wo Hilfe nötig ist, kommt sie von selber. Von der Klassenlehrerin haben wir auch positives Feedback bekommen. Es ist ein Reifeprozess vollzogen worden, der vermutlich unter anderen Umständen, anders verlaufen wäre. Wissen können wir das nicht zu 100%, aber wir sehen mit Wohlwollen, was bei dem pubertierenden Kind vor sich geht.

Nach dem die Kinder jetzt zwei Mal zu jeweils 4 Stunden (wöchentlich 1 Tag) in halbierten Klassen in der Schule waren, hat die Lehrerin auch den Eindruck, dass es den Kindern durchweg gut geht. Sie kommen mit der Situation besser zurecht, als von der Schulleitung angenommen wurde.

Es gibt sich noch, die positiven Meldungen.