Topfhaltetechnik

Als Kind half ich meiner Mutter gelegentlich in der Küche. Vor allem gerne beim Schneiden von Gemüse oder beim Spülen des gebrauchten Geschirrs. Schon damals neigte ich zu einer grundsätzlich eigenen Meinung und ließ mich, dem Alter entsprechend, selten davon abbringen. Als Kind hatte ich einfach recht.

Das führte dann schon mal dazu, dass meine Mutter während der Küchenarbeit etwas unentspannt auf meine Mätzchen reagierte. Verständlich. Meistens aber behielt sie die Ruhe und dafür bin ich unendlich dankbar. Ich bin mir nicht ganz sicher, wann sich die folgende Situation abgespielt hat, aber ich denke, ich muss so zwischen 5 und 7 Jahren alt gewesen sein. Mutter und ich hatten in der Küche zu tun. Sie spülte ab, ich stand mit dem Trockentuch bereit.

Teller und Besteck stellten kein Problem für mich dar. Es wurde abgetrocknet, bis auch der kleinste Tropfen aus Angst von selbst verdunstete. Hätte man mich damals gefragt, woher ich weiß, wie das alles so geht, wäre meine Antwort selbstverständlich gewesen, dass ich das halt einfach kann. Von selbst, wie alles im Leben. Dass ich das bei meiner Mutter natürlich alles abgeguckt habe, würde nie über meine Lippen gekommen sein.

Am Ende der Teller und Löffel drückte mir meine Mutter den riesigen Nudeltopf in Hand. Ich versuchte, einen Weg zu finden, den Topf zu halten und abzutrocknen. Dabei fiel mir auf, dass ich mit meinen Händen immer wieder Stellen feucht machte, die ich bereits mit dem Trockentuch bearbeitet hatte. Das ärgerte mich maßlos! Ich schimpfte drauflos und verfluchte den doofen Topf.

Meine Mutter schaute mir einige Momente zu und meinte dann, ich könnte doch erst innen trocknen und dann außen. Oder auch andersherum. Zumindest würde damit die Gefahr sinken, dass ich trockene Stellen wieder nass mache. Heute bin ich mir natürlich sicher, dass sie innerlich Tränen gelacht hat. Aber sie hat mich nie ausgelacht. Vielleicht hinterher, wenn sie allein war.

Natürlich fühlte ich mich gemaßregelt, bevormundet und herabgesetzt. Als wenn ich diesen blöden Topf nicht selbst trocken bekommen würde. Also fand ich ziemlich viele Argumente gegen ihre Vorschläge. Um meine Aussagen zu bekräftigen, zeigte ich immer wieder, was passierte, wenn ich mich an ihren Vorschlag hielt. Rückwärts betrachtet, muss ich meine Mutter wirklich loben. Sie ist ernst geblieben und hat mich auch nicht angemeckert.

In späteren Jahren, in meiner eigenen Wohnung, erinnerte ich mich oft an diese Szene mit meiner Mutter. Vor allem immer dann, wenn ich einen Topf zum Abtrocknen in die Hand nahm. Dann musste ich grinsen und sagte zu mir: »Mach erst außen trocken, dann ist es einfacher.« Das Wort »Topfhaltetechnik« ist bis heute ein Begriff, der ganz oft durch meine Hirnwindungen schwirrt.

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