Ab einem Punkt legst du das Buch nicht mehr weg, du musst es durchlesen, weil du hoffst, dass am Ende alles gut wird.
So habe ich das Buch von Jasmina Kuhnke erfahren. Ich fing an zu lesen und durfte nicht mehr stoppen. Normalerweise würde ich über ein Buch, das mich derartig in den Bann zieht, schreiben, dass es ein gutes Buch ist. Hier widerstrebt es mir in solchen Kategorien zu denken.
Jasmina erzählt, wie sie aufgewachsen ist. Der Inhalt ist so persönlich wie grausam. Selbstverständlich gibt es Menschen, die das Geschehene als emotionale Übertreibung abtun. Genau diese Menschen stehen auf der anderen Seite, sind nicht betroffen vom Rassismus, der in so unfassbar vielen Facetten mal offen, mal verdeckt auf die Betroffenen einschlägt.
Ich bin 12 Jahre älter als die Autorin, weiß und grundsätzlich privilegiert aufgewachsen. Armut kenne ich nicht. Als Jasmina geboren wurde, habe ich mir mein erstes Iron Maiden Album gekauft. Ich bin ein Jugendlicher aus den 80ern und pubertierte als Pommesbudengeneration so vor mich hin. Wenn Jasmina in ihrem Buch vom Umgang mit Menschen anderer Herkunft oder Hautfarbe schreibt, nicke ich zustimmend.
Ich war mit einem etwas älteren Jungen aus dem Senegal befreundet. Er bot sich an, mir Englisch beizubringen, meine Eltern wollten „so einen“ aber lieber nicht in der Wohnung haben. Am Ende saßen wir in der Kneipe und tranken Bier, während wir uns auf Englisch unterhielten. Ich war oft bei unseren türkischen Nachbarn zum Essen eingeladen, weil ich mit den Kindern der Familie spielte. Meine Oma schüttelte sich und bemerkte bissig, dass ich aufpassen soll was ich da esse.
Ich habe Menschen nie so gesehen. Ich weiß nicht warum, denn das Umfeld war komplett anders. Und genau das ist, was Jasmina Kuhnke erlebt hat. In allen perversen Ausprägungen. Sie beschreibt eindrücklich, was Rassismus mit ihr und ihrem Leben gemacht hat. Ich habe oben geschrieben, dass ich genickt habe zu ihren Ausführungen, weil ich das kenne. Das bedeutet nicht, dass ich auch nur ansatzweise wüsste, wie dem Rassismus ausgesetzte Menschen sich fühlen. Ich habe nur gesehen und gehört, wie grausam Menschen mit anderen Menschen umgehen. Fühlen oder erfahren musste ich das nie.
Deswegen ist das Buch „Schwarzes Herz“ so wichtig. Es ist von der Autorin ein Statement, eine Anklage und eine Befreiung gleichermaßen. Für uns ist es ein Spiegel, ein Schlag ins Gesicht und ein Ansporn. Wir müssen unseren Blick auf die Menschen fokussieren, nicht auf unsere eigenen, irrationalen Ängste vor, ja, vor was denn eigentlich?
Wenn wir es schaffen den Menschen zu sehen, dann wird vielleicht irgendwann alles gut. Jasmina und allen anderen Menschen mit diesen Horrorerfahrungen wünsche ich das aus tiefstem Herzen.