Der ätherische Spiegel

Es gibt Menschen, denen ich nichts verzeihe, vor allem nicht ihre dunklen, schlechten Gedanken. Manchmal wünschte ich mir einen Stempel, den ich ihnen auf ihre Stirn hämmern kann. »Mit schlechten Gedanken versetzt«, wie auf Wasserflaschen, in denen mit Kohlensäure versetztes Wasser herumschwimmt. An einer unscheinbaren Stelle in ihren Körpern entstehen diese Gedanken, wie kleine Luftbläschen, steigen sie an den Wirbeln und Nerven empor, überwinden mit Leichtigkeit die Blut-Hirnschranke und setzen sich zuerst im Kopf fest. Dort verrichten sie ihr trügerisches Werk, sparkling und fröhlich, verwirren zuerst, spenden alsbald glaubhafte Gewissheit. In dunklen, klaren Nächten kann ich diese kleinen, schlechten Gedankenbläschen aus ihren Köpfen, aus ihrem Verstand, aufsteigen sehen und wenn dann keine Wolke am Himmel sie aufhält, entschweben sie bis in das All. Am Ende allen Schwebens fangen die ersten zackigen Bläschen an, im Gleichschritt durch die Galaxie zu marschieren. Eisiger Frost überzieht das Äußere und passt ausgezeichnet zum Inneren. Kälte und Dunkelheit bleibt, wo immer sie entlang marschieren. Am Scheitelpunkt, wo Schatten, Licht und das Nichts sich treffen, vereinen sie sich, schwellen an und glühen aus sich heraus. Wir gaffen mit unseren teleskopischen Blicken und träumen von entstehenden Galaxien, sterbenden Sternen und explodierenden Planeten, die am Ende wie bunter Nebel durch das Weltall ziehen. Als ich an der Reihe bin, zieht die Frau mit dem schicken weißen Kittel und der hübschen Haube eine Kugel aus dem Strom, der sich aus den Köpfen um mich herum ergießt, und legt sie mir auf die Zunge. Wasser, ohne Kohlensäure, spült sie gelangweilt in meine Speiseröhre. Zuerst sinkt sie gehorsam den schmalen Gang herab, windet sich dann und steigt mit einem bösen Kichern an meinen Wirbeln und Nerven wieder empor. In den Kopf, in den Verstand. Sparkling. Das Zimmer, so hell und weiß wie die nette Frau im Kittel mit Haube, nimmt mich auf und am Bett prangen in dunklem Braun die Lederbänder als schreiender Kontrast zum Rest der Welt. Ein letzter Blick durch die Tür zeigt mir ihre schwachsinnig grinsenden Gesichter, aus deren obersten Rundung weiter die Bläschen mit den dunklen, kalten Gedanken in die Welt entlassen werden. Ich lege mich hin, spüre noch kurz das Leder, wie es sich um meine Gelenke schließt und ahne, dass mein Gesicht in wenigen Sekunden denselben schwachsinnigen Ausdruck annehmen wird. Der Nebel kommt. Sparkling. Ich sehe mich dort liegen. Mein schwebender Weg wird durch die Zimmerdecke aufgehalten. Ich kann nicht weiter. Sie haben mich mit ihrer kleinen Kugel gefangen, gezähmt, still gemacht. Von oben sehe ich so friedlich aus. Ich bleibe einfach dort oben und gehe nicht mehr zurück. Dahin, wo die Wut wohnt, sich alles aufbäumt und Stempel auf Köpfe rammen möchte.

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