Ungewissheiten (5)

Ich oute mich heute als kapitalistischer Ausbeuter. Zumindest sind viele Menschen der Meinung, als VermieterInnen von Wohnraum ist man das per definitionem. Leider muss ich denen recht geben. Viele VermieterInnen sind genau das. Vor vielen Jahren haben wir das am eigenen Leib erleben dürfen. Durch einen mehr oder weniger glücklichen Umstand sind wir dann selbst zu VermieterInnen geworden.

Das Objekt war damals im Grunde unbewohnbar. Es gab keine Heizung, kein Badezimmer. In einigen Wohnungen hatten die Mieter sich Kohle- oder Ölöfen aufgestellt; im Keller gab es einen großen Holzbottich, der samstags zum Baden gefüllt wurde. In einer Wohnung hatte sich eine Familie ein Badezimmer eingebaut. Alles selbst gemacht. Wir hatten damals die Wahl, den runtergerockten Kasten zu verkaufen oder zu sanieren. Wir entschieden uns für die Sanierung. Das auch nur, weil wir Leute um uns hatten, denen wir vertrauen konnten.

Natürlich waren die Kosten gigantisch. Aber ein Haus von 1896 in einer eigentlich durch Bomben im Zweiten Weltkrieg zerstörten Stadt, das möchte man schon erhalten. Die Bauphase dauerte ca. 2 Jahre, hat sich aber, nach allem, was man heute sagen kann, durchaus gelohnt. Für uns und vor allem für die MieterInnen. Natürlich mussten wir damals die Miete anpassen. Die Sanierung musste sich selbst tragen, da wir privat niemals die Rückzahlung hätten stemmen können.

Wir haben seit der Sanierung nie mehr den Mietzins angehoben. Eigentlich hätten wir das machen sollen, so hat es der Bankberater damals erklärt. Als wir es einmal überlegt hatten und es wirklich machen wollten, die Ankündigung war bereits formuliert, kamen die neuen Gebühren für die Stadt. Und die Heizkosten. Schaue ich mir die Entwicklung der vergangenen Jahre an, frage ich mich ernsthaft, wie die Menschen in Zukunft noch Wohnraum bezahlen wollen. Das ist doch irrwitzig, wie die Heiz- und Nebenkosten explodieren.

Wir sehen, was die MieterInnen für die Wohnungen von ihrem Einkommen aufbringen müssen. Das geht so nicht. Der Staat muss unbedingt eingreifen und bezahlbaren wie lebensfreundlichen Wohnraum schaffen. Die Leute gehen in einigen Fällen arbeiten, damit sie wohnen können. Ich weiß nicht, wo das enden soll. Eine der großen Ungewissheiten unserer Zeit.

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