So ein Körper

… möchte gepflegt sein. Sonst kann es zu komischen Anwandlungen kommen. Ich sage es geradeheraus, dass ich meinen Körper in den vergangenen Jahren nicht besonders ernst genommen habe. Dafür hat er mir die Rechnung hingelegt und ich stottere die bis zu meinem Lebensende täglich ab.

Es gab viele Gründe, die mich davon abhielten, auf meinen Körper zu achten. Ihr kennt sie vermutlich alle. Sie fangen irgendwo bei „nur noch ein wenig arbeiten“ an und enden bei „Zack, zack, das muss noch fertig werden“. Zwischendurch dann endlich mal Ruhe und nichts tun. Auch nicht bewegen. Mit Corona hat sich das noch mal verstärkt. Und ich habe es einfach nicht beachtet, nicht verstanden.

Eine weitere, erschreckende Erkenntnis für mich ist, dass ich jetzt nach einer Woche kompletter Änderung der Lebensgewohnheiten und natürlich medikamentöser Unterstützung merke, wie dreckig es mir all die Jahre ging. Der erste Schock war natürlich die Diagnose. Und weil mein Körper die Geduld verloren hat, war es kein kleiner Schubs, sondern gleich die Abrissbirne in den Rücken. Vermutlich hat er sich gedacht, anders bekommt er mich nicht wach. Vielleicht ja, vielleicht nein.

Nun sitze ich hier und wiege mein Essen ab, scanne Barcodes, um Nährwerte zu ermitteln und achte peinlichst genau auf die Zuckerzufuhr. Gewicht muss ich zum Glück nicht mehr viel verlieren, da sind in den vergangenen zwei Jahren bereits 30 Kilogramm verschwunden. Peinlicherweise führte ich diesen Umstand auf den weggefallenen Stress des täglichen Berufspendels zurück. Seit 2004 pendelte ich vom Niederrhein täglich 160 Kilometer über die A40 mitten in das Ruhrgebiet. Wer die Strecke kennt, weiß, von welcher Hölle ich spreche.

Durch das während Corona etablierte Homeoffice fiel das von einem Tag auf den anderen komplett weg. Und ich verlor Gewicht. „Guck, was Stress so alles ausmacht“, dachte ich damals noch sehr leichtgläubig. Jetzt weiß ich, Diabetes kann auch zu starker Gewichtsabnahme führen und ich schaue beschämt zurück. Ich habe nichts verstanden, dachte, ich lebe eigentlich relativ gut. Kaum Fleisch, viel Käse und sehr wenig Fast Food.

Ja, okay, ich hatte damals schon mit dem Blutdruck zu kämpfen. Der wurde aber mittels Medikament gesenkt. Weil das alles so harmlos erschien, ersetzte ich die leeren Batterien im Messgerät nicht. Alles lief einfach weiter. Dann kamen noch ein paar betrübliche Krankheiten bei der FamS hinzu und ich konzentrierte mich auf andere Dinge. Der Blick auf das eigene tägliche Leben war etwas getrübt.

Ich muss noch etwas gestehen. Vor mehr als 20 Jahren hatte ich einen fürchterlichen Verkehrsunfall. Damals verbrachte ich ein Jahr in Krankenhäusern, wurde ca. 20 Mal in Vollnarkose versetzt, aufgeschnitten, verbunden, gepikst, musste bis zu 17 Tabletten am Tag nehmen und wurde vom Schmerzmittel ordentlich high. Kurzum, ich habe seit damals einfach die Nase von Ärzten, Diagnosen und Maßnahmen restlos voll. Das hat sicherlich dazu geführt, dass Vorsorgeuntersuchungen nicht zu den Höhepunkten in meinem Leben gehörten. Ab jetzt dann wohl schon.

So gab es dann nach dem Blutbild letzten Montag die unerquickliche Nachricht, dass alles anders werden muss. Der Zuckerwert, der Blutdruck und die tägliche Dosis Bewegung. Dafür muss ich einiges tun. Es wird kein Bier mehr geben, weil Alkohol tabu ist, Kaffee nur noch in geringen Dosen und möglichst entkoffeiniert. Viel Gemüse, dazu Obst mit wenig Eigenzucker und ansonsten muss ich auf jede Packung schauen. Ja, das ist eine enorme Umstellung für mich.

Während in dem Absatz zuvor noch oft das Wort „muss“ vorkommt, will ich aber umschwenken und sagen, dass es nur die medizinische Notwendigkeit unterstreichen soll. Weil ich bereits merke, wie gut meinem Körper diese Umstellung tut, ist es ein einziges persönliches Wollen. Vielleicht hat mein Körper recht gehabt, in dem er mir auf recht plakative Weise mitteilte, dass ich nun wollen muss.

Geht zur Vorsorge, egal wie unangenehm es euch vorkommt. Das Lebensgefühl wird besser.

*FamS = Frau an meiner Seite

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