Beim Warten

Während ich hier sitze und darauf warte, dass die Kaffeemaschine endlich das Wasser in den Filter, der Filter das Kaffeewasser in die Kaffeekanne und die Kanne den Kaffee in die Tasse gekocht hat, läuft im Hintergrund leise ein Hörspiel. Ich nehme nur die Geräusche wahr, verstehe aber nicht, was gesprochen wird. Die Kaffeemaschine höre ich ziemlich deutlich, weil ich endlich die Tasse gefüllt wissen möchte. Bei all dem sinniere ich noch über ein Telefonat von heute nach.

Natürlich haben wir uns über Krankheiten und die alltäglichen Wehwehchen unterhalten, die im Alter Besitz von uns nehmen. Jeder hat sein Päckchen zu tragen. Da meine Gesprächspartnerin wesentlich älter ist als ich, haben sich bei ihr schon mehr Gebrechen versammelt. Trotzdem werden mir durchgängig Dinge vorgeschrieben, die ich auf jeden Fall machen soll. Es sollen Ratschläge sein. Leider sind es oft unumstößliche Gesetze, oftmals aus dem eher sehr esoterischen Bereichen. Spreche ich das an, ist es eben Lebenserfahrung und keine magische Unmöglichkeit.

Damit kann ich mittlerweile umgehen und warte solche Ergüsse gemütlich ab. Meistens mit einem Kaffee. Ich glaube, dieser warme, wohlschmeckende Kaffee beruhigt mich bis zu dem Punkt, an dem ich zwar höre, was gesagt wird, aber nicht mehr verarbeite. Früher hätte ich vermutlich erhöhten Blutdruck davongetragen. Heute werfe ich hier und dort ein paar valide Gegenargumente ein, aber ohne Elan und Lust darüber überhaupt zu diskutieren. Ich ändere nichts mehr.

Mein Kaffee ist fertig. Endlich. Die dampfende Tasse kommt zur richtigen Zeit, denn jetzt komme ich zu der Stelle, an der ich mich dann doch geärgert habe. Vermutlich mache ich das immer noch, sonst würde nicht dieser Text hier entstehen. Es geht um einen gewissen Grad an Ignoranz, der sich seit 2020 ganz offen durch ihr Leben zieht. Das Schlagwort ist, wie könnte es anders sein, Corona. Oder sagen wir vereinfacht, es geht um Erkältungen.

Ich erzähle bei jeder sich bietenden Gelegenheit, dass ich beim Einkaufen und öffentlichen, geschlossenen Bereichen mit vielen Menschen, den MNS grundsätzlich benutze. Da wir hier in der Familie auch die eine oder andere Vorerkrankung haben, müssen wir weder Corona noch eine andere Virusinfektion haben. Deswegen schützen wir uns bestmöglich. Meine Gesprächspartnerin gehört ganz klar zu der gefährdeten Gruppe von Menschen, die auf jeden Fall eine Infektion vermeiden muss. Diverse Autoimmunerkrankungen unterschreiben das blind.

Anfänglich fiel es ihr schwer, den Nutzen eines MNS überhaupt zu erkennen. Dann, als der Lebenspartner flachlag, erkannte sie offenbar den Fehler. Aber jede Abschwächung der Pandemie in den Medien führte dazu, dass diese Erkenntnis in den hinteren, nicht benutzten Bereich der Erinnerung verschoben wurde. So auch jetzt. Denn heute wurde mir erzählt, dass sie beide krank sind. Erkältung, vermutlich. Was aber auch nicht verwunderlich sei, so erzählte sie mir, weil ja beim Einkaufen alle um sie herum mit Schnupfennasen und Husten herumgelaufen wären. Sogar die Kassiererin hatte eine laufende Nase.

Auf meinen Hinweis, dass das exakt der Grund sei, warum ich beim Einkaufen einen MNS tragen würde, war eine ausgeprägte Stille. Dann fiel ihr ein, dass sie schon einen Schnelltest gemacht hätten und der wäre negativ gewesen. Kann ich glauben, kann ich auch sein lassen. Dass es noch andere Virusinfektionen gibt, die sie nicht so dringend in ihrem Körper beheimaten sollte, scheint sich den Gedankengängen zu entziehen. So bleibt es an mir hängen, mich wieder einmal über so viel Ignoranz und Leichtsinn zu ärgern. Sie ist meine Mutter und ich mache mir Sorgen. Bei allen Differenzen in einigen Themen, es sind doch keine Gräben zwischen uns.

Beim Warten drängen sich diese Gedanken auf und wollen mit einer Tasse Kaffee weggespült werden.

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