Erkenntnisse

Schon als Kind latschte ich mit einer großen Ledertasche bei Oma in den Keller und tauschte die leeren Bierflaschen gegen volle aus. Es gab keinen Mangel bei den Großeltern, schon gar nicht auf Feierlichkeiten. Durch ihre Arbeit an der Ritterbrauerei in Dortmund gab es auch genügend Deputat in Form von Bier und Limonade, die sich in Kästen an den Wänden stapelten.
In der Familie wurde viel und gerne getrunken, gegessen und gefeiert. Wir als Kinder immer mittendrin. Immerhin gehörten unsere Verwandten nicht zu den Menschen, die sagten: „Ach komm, Bierschaum kann er doch ruhig etwas haben!“ So blieb uns als Heranwachsende die Limonade, natürlich in Form von Mezzo Mix, Cola und Fanta. Vermutlich nicht viel gesünder als Bierschaum.

Die Tische bogen sich mit Essen durch. Fleisch in Hülle und Fülle, Salate, vornehmlich mit Mayonnaise angemacht, Pommes, Kroketten und Soßen in jeder Geschmacksrichtung. Als Kind war das für mich natürlich so etwas wie das Schlaraffenland. Später, als Jugendlicher, wurde es halt die Normalität, mit der wir aufgewachsen sind.

Da ist für mich auch schon der Knackpunkt. Die Schwachstelle, die ganz allein bei mir liegt, genauer gesagt lag. Ich habe das nie hinterfragt. Essen, Trinken und Feiern waren so normal wie Atmen. Wochenenden wurden genutzt, um die Sau herauszulassen. Keine Gefangenen, nur Party. Das wohl für mich rückblickend überraschendste ist, dass ich selbst immer genug Geld hatte, um genau das zu tun. Ja, mit der eigenen, kleinen, ganz jungen Familie hatten wir auch schlechte Zeiten, aber es wurde keine Feier ausgelassen.

Der einfach klingende Satz, um das alles zu erklären: „Wir sind eben so aufgewachsen“, klingt für mich heute einfach falsch. Natürlich sind wir so aufgewachsen, aber als eigenständiger Mensch hätte ich in all den Jahren erwartet, das zu reflektieren. Es an die geänderten Umstände zu halten und zu bewerten, ob es noch richtig ist. Ob es jemals richtig war. Aber vielleicht scheut man sich als junger Mensch vor den Antworten, die man finden könnte.

Jahre später erst fing ich an, meinen Fleischkonsum zu reduzieren. Das ist unter anderem dem Internet und den Menschen zu verdanken, die auf die Missstände bei der Tierhaltung und die Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit aufmerksam machen. Immer und immer wieder. Alle, die darüber erzürnen und sich gestört fühlen: richtig! Denkt nach!

Ich für meinen Teil habe das vermutlich zu spät in meinem Leben getan. Vieles blieb auf der Strecke, hauptsächlich die Fürsorge für den eigenen Körper. Nach einem Gesundheitscheck vor einiger Zeit (ich berichtete darüber), habe ich angefangen, alles radikal umzustellen. Von einem Tag auf den anderen entsagte ich jeder Form von Süßigkeiten, fettigem Knabberzeugs und Alkohol. Wenn heute Gelüste verspüre, denke ich nicht über die Süßschublade nach, sondern über die Obst- und Gemüseschublade im Kühlschrank.

Den größten Effekt aber hat der Verzicht auf Alkohol für mich gehabt. Es tut einfach gut, nicht mehr zu denken, dass ja zum Feierabend ein Bier die Belohnung ist. Total gefährlicher Unsinn. Der Körper hat sich in den vergangenen Wochen erholt und funktioniert einfach wieder. Geblieben sind natürlich die Erkrankungen, die ich mir durch jahrelange Exzesse eingefangen habe. Doch auch die sind durch die Umstellung unter Kontrolle.

Heute muss ich sagen, dass vermutlich jeder Schluck Alkohol einer zu viel war. Auch die Süßigkeiten, die uns durch die Werbung in den Läden beinahe aufgezwungen wird, muss im Grunde niemand haben. Geschmacklich kann man sich auf ganz andere Weise besser versorgen und begeistern. Die schieren Massen von diesen unnützen Dingen sind einfach nur Ausdruck unserer falschen Lebensweise.

Während wir selbst die Umwelt und die Tierwelt ausbeuten, vernichten, lassen wir uns durch die Industrie langsam mästen. Diese grundlegend falsche Ernährungsweise bringt uns in eine Spirale aus Abhängigkeit von Discountern und Krankenkassen. Bei mir ist der Groschen gefallen. Niemand benötigt all diesen Unsinn, der in den Regalen mit hübscher, bunter Verpackung Labsal verspricht, am Ende aber nur unseren Körper nachhaltig schädigt.

Anfangs hatte ich Angst, dass ich mir diese radikale Umstellung schönreden muss, aber das Gegenteil ist der Fall. Mir macht es Spaß, frisches Gemüse zu verarbeiten, Obst zu essen und darauf zu achten, was in gekauften Produkten denn wirklich drin ist. Ja, das ist nicht einfach, aber mein aktuelles Körperbefinden ist Bestätigung genug. Ich fühle mich frisch, gestärkt und geistig voll da. Kein Alkoholnebel, kein Zuckerschwall zieht realitätsverzerrend durch meinen Kopf.

Tut euch einen Gefallen und hinterfragt, wie ihr euch aktuell ernährt. Das Argument: „Ich bin so aufgewachsen“, ist ab sofort ungültig. 🙂

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