Schulterblick

Sätze werden gesagt, Meinungen ausgetauscht, Erfahrungen geteilt und Ratschläge erteilt. Gedanken zu Themen springen im Kopf umher, manche reifen, manche gehen verloren, andere schaffen es durch Tinte auf Papier und andere eben hierher. Nicht selten blicke ich zurück und frage mich, wer ich bin, bei den Dingen, die ich denke und erzähle.

Es ist ein Schulterblick zurück zu den Entscheidungen, die ich in der jüngsten Vergangenheit getroffen habe. Ausgesprochene Gedanken, in Form von Meinungen oder Ratschlägen, sind letztlich auch Entscheidungen. Zumindest sind sie Ergebnis einer Entscheidung, die ich getroffen habe. Den Schulterblick nutze ich für eine Art Realitätskontrolle. Ich habe bestimmte Vorstellungen, wie ich mit Menschen umgehen möchte und wie ich von ihnen behandelt werde. Das ist nicht immer so einfach zu verstehen, zumal ich ein sehr komplexer und anstrengender Mensch sein kann. Zu bestimmten Themen habe ich, nach Aussage meiner Freunde und Bekannten, eine sehr radikale bis extreme Meinung. Das höre ich und versuche mit dem Schulterblick festzustellen, ob das wirklich so ist.

Ein enger Freund hat mir früher einmal gesagt (also, dieses wirkliche Früher, vor mehr als 2 Jahrzehnten), dass ich meistens unnahbar wirke, obwohl ich ganz und gar nicht so sei. Danach habe ich Jahre an meinem Auftreten den Leuten gegenüber gearbeitet. Ich möchte so nicht wirken. Das ist etwas, da kann ich mit Überzeugung sagen, dass ich das geschafft habe. Ich halte das für eine praktische Erklärung, um zu verdeutlichen, was dieser Schulterblick und die daraus resultierende Realitätskontrolle für mich sind. Ich möchte wachsen und reifen. Meine Familie stammt nicht aus akademischen Kreisen oder der sogenannten gehobenen Gesellschaft. Alle waren oder sind Arbeiter:Innen. In der ersten Hälfte meines Lebens war ich da keine Ausnahme.

Kurz vor meinem dreißigsten Geburtstag durchzuckte mich die Erkenntnis, dass ich das, was ich gerade mache, auf keinen Fall bis ins hohe Alter machen möchte und vor allem nicht machen kann. Damals arbeitete ich in einem wirklich körperlich sehr anstrengendem Beruf als Stahlbauschlosser. Eines Tages blickte ich auf die Kollegen um mich herum, die ca. 20 Jahre älter waren als ich. Sie hatten die Fünfzig noch nicht erreicht, aber ihre Körper waren einfach kaputt. Ich traf daraufhin Entscheidungen und tat Dinge, die mich heute froh machen, dass ich es tat. Es sei nicht verschwiegen, dass ich eine Menge Glück zusätzlich hatte. Vieles hätte anders laufen können.

Mein Schulterblick erinnert mich immer daran, woher ich komme und wem ich, was zu verdanken habe. Niemand ist allein auf der Welt und wird vom Tellerwäscher zum Millionär, um dieses Beispiel mal zu bemühen. Da sind immer andere Menschen, die ihren Teil dazu beitragen. Das möchte ich niemals vergessen. Deswegen habe ich einen gewissen Anspruch an mich, mit Menschen umzugehen. Mit der Realitätskontrolle reflektiere ich mein Verhalten und frage mich, ob ich ein Mensch bin, mit dem ich auskommen könnte. Natürlich komme ich nicht mit jedem Menschen klar. Aber da habe ich zumindest den Anstand, das deutlich zu sagen.

Tatsächlich habe ich nun etwas den Faden verloren zu dem, was ich eigentlich schreiben wollte. Aber ich denke, das hier ist auch gut und brauchbar. Ich lasse es jetzt so. Kommt halt davon, wenn man mit dem Kopf nach hinten schreibt, da sieht man nicht, was vorn passiert. 🙂

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