Dornröschen – ein Missverständnis

In dem Märchen um die jahrhundertelang verschlafende Prinzessin werden dornige Rosenbüsche zwecks Zutrittsbegrenzung zum Schloss angegeben. Aus eigener Erfahrung halte ich das für falsch. Vielleicht ein Fehler, der sich in die späteren Überlieferungen eingeschlichen hat.

In den vergangenen Wochen war das Wetter nicht gartentauglich. Obwohl die Temperaturen in Ordnung waren, gab es leider zu viel Wasser von oben. Damit verhinderten die meteorologischen Umstände meine notwendige Gartenarbeit. Schlimmer noch: Es wurde das Wachstum aller Pflanzen derart befeuert, dass man nachts vermutlich das Knacken der wachsenden Ausläufer hätte hören können. Aber zum Glück schlafe ich da in aller Regel.

In unserem etwas größeren Garten findet ein ewiger Kampf gegen bestimmte wild wachsende Büsche statt. Da wäre einmal das Brennnesselgewächs. Die sind nicht schlimm, wuchern aber wie irre, wenn das Wetter sich mit feucht und warm hervortut. Nehmen die Brennnesseln überhand, kann sie leicht befrieden, das ist okay. Anders verhält es sich mit den wilden Brombeeren. Diese sind neben aggressiv wachsend auch noch unverschämt nutzlos. Nicht einmal ordentliche Brombeeren kann man ernten. Die sind alle klein und verschrumpelt. Man kommt sich geradezu verhöhnt vor, wie sie da wuchern und in der Nacht um Meter zu wachsen scheinen.

Und das ist der Punkt, an dem ich denke, die Rosen bei Dornröschen sind falsch. Meine Vermutung geht dahin, dass es ursprünglich »Brombeerdörnchen« hieß. Aber während das Märchen weitergegeben wurde, hat jemand sicherlich den, zugegeben, unvorteilhaften Namen in etwas geändert, das mehr Klang hat. So wurde Dornröschen geboren, was aber eigentlich von Brombeeren umzingelt war.

Wenn man jetzt aber denkt, Brombeeren sind schon Seuche im Garten genug, liegt man tüchtig daneben. Im hinteren Gartenbereich, der weitestgehend unberührt von uns bleibt, damit die Tiere ihre Ruhe haben, hat sich noch jemand unter die wilden Wucherungen geschlichen. Wenn ich nun mit meinem Freischneider durch den Dschungel aus Brennnesseln und Brombeeren fräse, hält etwas zwischen den Gewächsen am Stiel des Gerätes fest. Eine wild wuchernde Ackerwinde macht den Beschnitt zu einer sehr, sehr anstrengenden Aufgabe. Immer wieder bleibe ich mit dem Schneider hängen, muss ihn anheben und von oben in das Grün eintauchen.

Das bringt mich zu der Überlegung, dass vermutlich das Schloss von Dornröschen ähnlich zugewuchert war. Und die Blüten der Ackerwinde wurden vielleicht irrtümlich als Rosen gesehen. Denn Brombeeren und Ackerwinde sind unüberwindbar, möchte man dort ohne ordentliches Gerät durchdringen. Der Prinz mit dem Schwert – ich frage mich, wie lange er auf die Büsche eingedroschen haben muss. Oder ob er nicht doch Hilfe von den umliegenden Bauernhöfen hatte und die Knechte mit ihren Sensen wüteten.

Na ja, ich werde es nie erfahren. Dem Garten ist das ohnehin vollkommen egal. Also werde ich meine Situation nicht weiter bejammern, sondern morgen weiter mit dem Freischneider den Kampf aufnehmen. Heute habe ich bereits gut die Hälfte geschafft, bevor der Akku nach Strom lechzte. Das war gut, denn mir fiel dann auch meine eklatante Dehydrierung auf.

Auch ohne ausufernde Gartenarbeit gilt: Trinkt ausreichend Wasser und lasst euch von Märchen nicht an der Nase herumführen.

Menschliche Plastik wird von einer Hecke überwuchert.
Der Mann in der Hecke.

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