Streitgespräche

Auf Seite 5 der aktuellen Print-Ausgabe von „Die Zeit“ geht es in einem kurzen Artikel über die Streitkultur im Netz. Es wird über den Rückzug zweier Politikerinnen aus Facebook berichtet. Die beiden sind mit dem Medium Internet „groß“ geworden, umso mehr fragt sich der Autor, wie wir denn noch im Netz diskutieren und streiten können. Die unfassbare Anzahl von Hassnachrichten und Morddrohungen hat sie die Entscheidung treffen lassen.

Ich bin mir unsicher, ob es überhaupt eine Streitkultur in einem mehr oder weniger anonymen Umfeld geben kann. Der Rand wird laut, wenn er sich geschützt und unerkannt äußern kann. Selbst die Partei, die sich genau so aufbauen wollte, ist damals an der internen Streitkultur mehr oder weniger zerbrochen.

Weiterhin halte ich es für kritisch seinen Standpunkt innerhalb von Internet-Plattformen zu reflektieren. Die Gefahr, dass man sich in einer noch intensiveren, fokussierteren Filterblase als in seinem Familien- und Freundeskreis befindet, ist groß. Wenn eine Meinung nicht genehm ist, kann man sich im Schutze der Anonymität entfreunden, entfolgen oder einfach muten.

Diskutiere ich mit meinen Verwandten und Freunden, kann ich mich der Meinung der Anderen nicht einfach entziehen. Und wir haben hier schon viele, viele Streitgespräche geführt. Die Meinungen innerhalb des Freundeskreises sind nie gleich. So kenne ich das zumindest. Deswegen gibt es für mich keinerlei Grund, auch nur ansatzweise im Internet über die großen Fragen unseres Lebens, unserer Gesellschaft zu streiten, zu diskutieren. Frühere Versuche endeten alle ohne weitere Erkenntnisse.

Der Autor des Artikels in „Die Zeit“ fragt auch, wo wir uns denn noch streiten können. Na, ganz einfach. Im direkten Umfeld mit der Familie, mit den Freunden. Und mit einer durch weiteres Wissen ausgebauten und gefestigten Meinung, kann man Stück für Stück weitere Menschen abholen (oder mit ihnen streiten). Aber wahrscheinlich nicht auf Facebook, Twitter oder Instagram.

Die CumEx-Files – Wie Banker, Anwälte und Superreiche Europa ausrauben. | CORRECTIV

 

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Sicherheit

Seit gestern ist sie wieder in aller Munde, die so oft bemühte Sicherheit. Immer dann, wenn etwas passiert, was außerhalb unserer eigenen Kontrolle geschieht, fühlen wir uns nicht mehr sicher. Es ist dabei so ziemlich egal was das genau ist. Gestern war es eben diese Geiselnahme in Köln.

Heute wird gefragt, ob denn unsere Bahnhöfe sicher seien. Ich kriege bei solchen Fragen immer Stirnfalten und eine zuckende Augenbraue. Natürlich sind sie nicht sicher. Die Architekten haben vielleicht alles getan, um das Unfallrisiko zu minimieren, aber gegen die Tat eines Menschen ist es schwierig alles abzusichern.

Deswegen ist es nirgends „sicher“. Wenn die Regierung und ihre Minister etwas von: „Wir müssen den Menschen Sicherheit garantieren und bieten“, dann würde ich sie gerne auf diesen Anspruch verklagen. Diese Garantie besteht allerdings nicht aus tatsächlicher physischer Sicherheit, sondern mündet meistens in irgendwelchen Überwachungssystemen. Der Grund ist einfach: Sicherheit kann nicht garantiert werden.

Sicherheit ist ein Gefühl, dass wir selber in einer uns angenehmen Umgebung fühlen. Zu Hause bei der Familie zum Beispiel. Auf einem Spielplatz mit spielenden Kindern. Aber selbst da haben Eltern mit Helikopter-Syndrom schon so ihre Schwierigkeiten. Ich persönlich betrete z.B. kein Fußballstadion. Das ist einfach nur eine Art der Risikominimierung für mich persönlich. Nicht aus Angst vor Anschlägen, sondern wegen der latenten Gewaltbereitschaft gewisser Fangruppierungen. Ich muss mich dem nicht aussetzen.

Aber jetzt wird man sicher wieder über Videoüberwachung, Eingangskontrollen, Gesichtserkennung usw… diskutieren. Selbst wenn man uns alle in vorbeugende Sicherheitsverwahrung nehmen würde, mit der nächsten Naturkatastrophe wäre diese Sicherheit wieder dahin. Wie viel Sicherheit jemand empfinden muss und welchen Risiken er sich aussetzt, entscheidet letztlich jeder selber.

Zum Begriff der Sicherheit lohnt sich ein Blick zur Bundeszentrale für politische Bildung.