In der Cloud

Wenn ich Rückwärts blicke wie lange ich schon „online“ bin, also im Internet präsent, muss ich sehr lange schauen. Muss ich meinen Geburtstag in einem Onlineformular auswählen, scrolle ich recht weit nach unten. Falls ich mich richtig erinnere, haben wir mit einem Amiga 500 zum ersten Mal eine Telefonleitung genutzt. Richtig los ging es Anfang der 90er.

Ich weiß das erste Passwort für die Datenverbindung per Vertrag bei einem ISP immer noch auswendig. Das war damals schon ein Sprung in eine komplett neue Welt. Compuserve, Netscape und Newsgroups waren die Schlagworte, die uns damals umtrieben. Alles war neu und schön und wir hatten keine Ahnung, wie das eigentlich funktionierte. Verschlüsselung hatte ja auch noch niemand von uns gehört.

Mit dem wunderschönen iMac, bekannt als Lampe, wechselte ich von Windows zum macOS. Irgendwann gab es dann die iDisk, mit der es möglich war, Kalender, Adressbuch und Fotos über verschiedene Geräte zu synchronisieren. Als Besitzer mehrer Geräte war das natürlich die beste Anwendung von allen. Apple entwickelte das System immer weiter. Ich glaube, es ging über in den Namen MobileMe, dann in iCloud. Kann man auch an den E-Mailadressen sehen, die in der iCloud noch aufgelistet werden. Meine erste und älteste ist die mit der Endung .mac, die ich immer noch vorrangig benutze.

Was den Mitgliedern vom CCC (Chaos Computer Club) schon lange bewusst und bekannt war, kam im Ablauf von vielen Jahren langsam in der Gesellschaft an: Datenschutz, Privatsphäre und Abhängigkeit von Konzernen. Ich fing auch an, mir vermehrt darüber Gedanken zu machen. Theoretisch kann ich seit 2006 meine E-Mails verschlüsseln, sowohl mit S/MIME als auch mit PGP (GPGP). Ich kenne seit dem genau zwei Leute, mit denen ich so E-Mails austauschen könnte. Zwei.

An anderer Stelle biete ich bestimmten Menschen über Mailbox.org ein verschlüsseltes Postfach an, weil sie mir persönliche Unterlagen senden und ich ihnen welche senden muss. Dabei wird bei Mailbox für die Empfänger außerhalb von Mailbox ein Postfach angelegt, über das sie nur mit mir E-Mails austauschen können, die dann immer verschlüsselt sind. Hat in all den Jahren, in denen ich das mit Mailbox anbiete, genau einmal jemand genutzt. Alle anderen hauen ihre persönlichen Dinge per Gmail oder anderen Diensten raus.

Ich immer mal wieder darüber nachgedacht, was es für negative Auswirkungen haben kann, wenn ich meinen Kalender und mein Adressbuch über die iCloud synchronisiere. Na, das ist nur die halbe Wahrheit, ich habe mir natürlich auch Gedanken über all die anderen Daten, die mittlerweile über die iCloud abgeglichen werden, gemacht. Das System ist ja immer weiter gewachsen und mittlerweile gibt es nichts mehr, was nicht über die iCloud zwischen den Apple-Geräten abgeglichen wird (werden kann).

Ich habe in der iCloud nur privates Zeug. Beruflich werden Daten zwingend über Microsoft synchronisiert, aber darauf habe ich überhaupt keinen Einfluss. Es ist mir demzufolge vollkommen egal. Zum Beispiel dieser Text hier wird während ich tippe, von dem Programm iA-Writer immer wieder in die iCloud geladen. Das habe ich so eingestellt, damit ich unter Umständen auch im Bett am iPad weiter tippen kann. Dieser Text ist für das Weblog und damit wird er öffentlich verfügbar. Ich sehe da kein Problem ihn über die iCloud zu synchronisieren. Es ist in meinen Augen eine der besten Funktionen, die uns da angeboten wird.

Ich habe natürlich auch anderen Daten, die ich gerne auf allen Geräten zur Verfügung haben möchte. Bis vor, uhm, 2014 habe ich diese noch mit Festplatten und USB-Sticks verwaltet. Ab 2014 dann lernte ich Boxcryptor kennen. Dieses Programm verschlüsselt Daten auf dem Rechner, bevor diese in die Cloud geladen werden. Seitdem spare ich mir unheimlich viel Aufwand mit externen Laufwerken und Datenabgleich.

Meine Ablage ist so eingestellt, dass nichts unverschlüsselt bleibt, das ich in verschiedenen Programmen erstelle und in die iCloud lade. Gemeint sind damit Dateien von Numbers oder Pages z.B., in denen ich sehr persönliche Daten erfasse. Bisher habe ich ein gutes Gefühl. Zudem gebe ich auch zu, dass ich Apple hinsichtlich des Sicherheitsversprechens vertraue. Das mag anderen komisch bis falsch vorkommen, aber ganz ehrlich, hinterfragt an der Stelle einfach mal eure Vorgehensweise. Ist die wirklich so viel anders?

In den letzten Jahren habe ich immer wieder mal OwnCloud, dann NextCloud und auch das Drive von Mailbox ausprobiert. Nichts hat mich bisher wirklich überzeugt. Wenn ich nicht einen eigenen Server zu Hause installiere, liegen meine Daten immer auf Computern fremder Menschen. Hinzu kommt, dass ich den kompletten Pflegeaufwand selber habe. Das mag für manche Leute genau das richtige sein. Ich finde es gut, wenn Menschen sich da wiederfinden und sich mit dieser Materie eingehend beschäftigen. Ich erzähle der jüngsten Tochter auch immer alle Möglichkeiten, es vielleicht besser zu machen. Sie ist, was Privatsphäre angeht, in meinen Augen besser unterwegs, als viele andere Teens in ihrem Alter.

Bei mir denke ich, ist der Zug eh abgefahren. Was Apple jetzt noch nicht über mich weiß, wird es vermutlich auch nie erfahren. Für Google und Microsoft gilt das selbe. Lange Jahre haben wir alle doch Google benutzt und Microsoft war und ist der Industriestandard. Was denkt ihr, warum es keine oder kaum Schulungsangebote hinsichtlich Office in Unternehmen gibt, oder wenn, diese nicht genutzt werden? Die meisten Menschen kennen es eben von zu Hause. Wenn das nicht ausreicht, gibt es halt mal eine Excel-Schulung.

Es gibt allerdings ein Gerät auf dem Markt, das mich in den letzten Wochen etwas umgetrieben hat: Die Nextbox von NitroKey. Der Hersteller verspricht mit dem Einmal-Kauf eine eigene Cloud am eigenen Router, die auch von außen sicher zu erreichen ist. Und tatsächlich, wenn es so funktioniert wie es beschrieben ist, ist es ein unglaublich gutes Angebot. Angeschlossen und eingerichtet hat man die NextCloud in einer kleinen Kiste in seinem Haushalt stehen. Alle Daten auf den eigenen Geräten und trotzdem überall verfügbar.

Eigentlich ist meine Entscheidung für den Verbleib in der iCloud gefallen. Ich habe keine Lust mehr auf diesen Umzug, ggf. auftretende Probleme selber zu lösen und mich mit der Technik im Hintergrund beschäftigen zu müssen. Und doch scheint die Nextbox auf den ersten und zweiten Blick der in meinen Augen einzige Weg, eine eigene Cloud halbwegs ohne viel Aufwand hinzukriegen. Ich werde darüber vermutlich noch ein paar Wochen oder Monate nachdenken.

Damit bleibt für mich, dass eine Cloud, die nicht auf eigener Hardware sicher betrieben wird, einfach nur Daten auf dem Computer fremder Menschen sind. Ein Wechsel von der iCloud zu einem anderen Anbieter erscheint mir erstmal wenig sinnvoll.

Kurzer Aussetzer

Wenn ich jetzt mehr darüber nachdenke, weiß ich gar nicht, was mich dazu getrieben hat, wie mir dieser unsinnige Gedanke hatte kommen können. Ich vermute ja stark, dass ich derartig tief eingebunden war, dass mein Kopf irgendwie eine Fehlschaltung hatte.

Vor zwei Tagen hatte ich einen harten Arbeitstag. Gegen Ende wollte ich nochmal im Intranet des Unternehmens etwas nachschauen. Dabei stolperte ich über ein Lesezeichen, das ich mir vor Jahren wohl wider besseren Wissens abgelegt hatte. BYOD – Bring your own device. Das ist eine Möglichkeit seine eigenen mobilen Geräte mit in das Firmennetzwerk einzubinden. Man hat dann Zugriff auf Kalender, Mails und Sharepoint, sprich, alles was mit dem MS Office 365 zu tun hat.

Wie bereits gesagt, ich habe immer noch keine Ahnung was mich trieb, aber ich installierte nach kurzem Blick in die Anleitung das entsprechende Profil auf meinem iPad. Zugegeben, es ist sehr einfach und schnell gemacht. Das kenne ich auch anders. Danach installierte ich aus dem Firmen-Appstore die entsprechenden Office Programme und fand das auf eine sehr eigentümliche Weise gut. Ab sofort hatte ich dauerhaft Zugriff auf meine Mails und Termine.

Ich könnte langatmig ausschmücken, wie mich jedes Entsperren des iPads runter zog, weil ich einfach nicht aus dem Arbeitsmodus entkommen konnte. Dabei habe ich genau das vor Jahren in mühseliger Anstrengung für mich gelernt und beibehalten. Aber jetzt sprangen mich immer direkt die Mailbenachrichtigungen an. Wenn in Deutschland niemand mehr im Büro ist, sitzen die Kolleg:Innen rund um den Globus in ihren Zeitzonen vor den Rechnern und versenden Mails, Termine und Dokumente.

Es hat nur ein paar Stunden gedauert bis mir klar war, dass ich das umgehend beenden muss. Selbst im Bett liegend wusste ich nach einem Blick auf das iPad, welche Mails ich morgen lesen und beantworten musste. Das ist kein Zustand. Am nächsten Morgen deinstallierte ich sofort und ohne innerlichen Einspruch das Firmenzertifikat und alle damit verbundenen Programme.

Seitdem frage ich mich ernsthaft, wer so etwas wirklich macht und auch genauso möchte. Ich kann es mir einfach nicht vorstellen. Damit ist diese viel beschworene Work-Life-Balance vollkommen kaputt. Es gibt sie einfach nicht mehr. Vielleicht ist das etwas für Selbstständige, die komplett selber für sich verantwortlich sind und immer alle Informationen haben und verarbeiten müssen. Für mich als abhängig Angestellter eines größeren Unternehmens muss das ganz sicher nicht sein. Niemals und ganz und gar nicht.

Whitstable

Gestern war ein typischer Kofferpacktag. Wäsche wurde gewaschen, auf der Terrasse zum Trocknen rausgehangen, zusammengefaltet, in die Reisetasche gepackt und mehrmals die wichtigen Dinge für eine Reise nach England kontrolliert. Je nach Blickwinkel war einmal der Reiseadapter für den Stromanschluss enorm wichtig, oder eben Reisepass und Impfausweis. Wer hier welchen Blickwinkel gehabt hat, könnt ihr euch selber ausdenken.

Das mit dem Reisepass ist schon eine doofe Sache. Seit dem Brexit benötigt man den für Reisen nach England, bzw. Großbritannien. Die Teen ließ zwischenzeitlich verlauten, dass sie, wenn es ihr dort gefällt, sie gerne ein Auslandsjahr in England machen würde. Sie mag die Sprache sehr. Die ersten Informationen die ich dazu fand, waren, dass ein ganzes Jahr wohl durch den Brexit schwierig und teuer geworden ist. Man rät zu halbjährlichen Aufenthalten.

Na ja, bis dahin ist ja noch ein wenig Zeit, unbefriedigend ist das trotzdem. Den Teens heute in aller Frühe wären solche Informationen ziemlich egal gewesen. Es war ein fröhliches Durcheinander am Treffpunkt, obwohl das für gewöhnlich recht lang schlafende pubertierende Kind sehr zeitig aus dem Bett musste. Alle hatten gute Laune und schmiedeten den einen oder anderen Plan. Auch wurde die Frage diskutiert, ob denn die Lehrer tatsächlich die Smartphones abends einsammeln würden. Ich konnte die Teen etwas beruhigen, da die Kinder alle in Gastfamilien untergebracht sind, wird das mit Sicherheit eben nicht gemacht.

Die beiden Schulklassen sind in Whitstable und Herne Bay untergebracht. Beide Orte direkt an der See. Das Wetter scheint ja auch mitzuspielen, sodass der Aufenthalt unter einem guten Stern steht. Der Plan der Lehrer, was alles besucht und angeguckt werden soll, ist zwar ziemlich sportlich, aber auch hier vermute ich, wird man an der einen oder anderen Stelle ein Einsehen haben. Die Teen hätte gerne die Bakerstreet 221B in London besucht, aber dort kommen sie nicht hin. Das würde sie dann eben in ihrem Auslandsjahr machen, sagt sie.

Teilhabe(n lassen)

Eine schöne Möglichkeit der sozialen Medien ist es, Fotos zu teilen. Damit können viele Menschen an besonderen Momenten teilhaben oder sich einfach an tollen Motiven erfreuen. Oftmals sind Bilder zur Verdeutlichung von Sachverhalten sogar unerlässlich.

Eine weitere schöne Möglichkeit ist es, diesen Fotos eine erweiterte Bildbeschreibung mitzugeben. In einer Bildbeschreibung macht man das, was der Name schon sagt: Das Foto beschreiben. Das ist wichtig, damit Menschen mit Sehbeeinträchtigungen teilhaben können. Nennt sich Inklusion.

Inklusion hat sicherlich jeder schon mal gehört. Vielleicht in einem anderen Kontext, wie z.B. Rampen anstelle von Stufen, Treppenlifte für ältere Mitbürger, piepende Ampeln etc… Bildbeschreibungen sind exakt das gleiche. Sie ermöglichen Menschen die soziale Teilhabe, die sie ohne diese erweiterten Texte nicht hätten.

Deswegen verstehe ich nicht, warum man den Sinn einer Bildbeschreibung hinterfragen muss. Für mich wäre es genauso, als wenn ich erst prüfe, ob auch wirklich Rollstuhlfahrer in ein Gebäude wollen, bevor ich eine Rampe für den Zugang baue. So funktioniert soziale Teilhabe nicht. Zugangsmöglichkeiten müssen selbstverständlich sein. Ansonsten sprechen wir nicht über Inklusion und soziale Teilhabe, sondern über Selektion und Ausgrenzung.

Ich verstehe ja, dass jemand, der bisher noch nie eine Bildbeschreibung verfasst hat, das als Mehraufwand auffasst. Es sollte aber so sein, dass sie einfach dazugehört. Das kann man üben und irgendwann ist es einfach Routine. Es gibt Künstler im Internet, die beschreiben z.B. einen von ihnen gezeichneten Comic komplett in der Bildbeschreibung. Das ist einfach großartig.

Im Weblog „blindleben“ wurden verschiedene Punkte aufgeführt, die in einer Bildbeschreibung möglichst vorhanden sein sollten. Es ist im Grunde ganz einfach und wie vieles im Leben, muss man es einfach nur wollen.

Die Frage ist also: „Möchte ich anderen Menschen die Teilhabe ermöglichen, oder nicht?“. Wer das mit Nein für sich beantwortet, hat ein viel größeres Problem als nur eine fehlende Bildbeschreibung.

Sichtweise

Puh, da ist mir doch tatsächlich die Brille kaputt gegangen. An einem der Bügel ist der obere Rahmen gebrochen und das Glas raus gefallen. Ist zum Glück heile geblieben. Es ist meine erste Brille und sie ist auch schon einige Jahre alt. Vielleicht haben die Augen mit geholfen, damit ich beim Optiker endlich wieder einen Sehtest mache. Jedenfalls laufe ich seit gestern Nachmittag ohne Brille durch die Wohnung.

Dabei fällt mir der Gewöhnungseffekt sehr deutlich auf. Bezüglich Sichtweite und Schärfe fehlt mir die Brille eigentlich gar nicht so wirklich. Also, klar, ich trage die ja nicht zum Spaß oder aus modischen Gründen, dennoch ist das etwas schlechtere Sehen nicht so dramatisch. Aber meiner Nase und meinen Ohren fehlt ganz offensichtlich der Druck des Gestells. Ganz oft laufe ich durch die Wohnung und denke: “Ach, schon wieder die Brille vergessen!”, erinnere mich dann aber, dass ich sie nicht vergessen habe, sondern, dass sie kaputt auf dem Schreibtisch liegt.

Ich glaube, so ähnlich funktioniert das auch mit alten Ansichten, die sich zwischenzeitlich als falsch herausgestellt haben. Man weiß, sie sind falsch, aber zum geeigneten Moment verfällt man ihnen wieder. Dann erinnert man sich und gelobt Besserung. Bis zur nächsten Situation. Mit Verhaltensweisen ist das sicherlich auch so. Es ist schwer, die Mauer aus Gewohnheit und Bequemlichkeit zu durchbrechen, um dauerhaft eine andere Sicht auf die Dinge einzunehmen.

Na ja, eine kaputte Brille ist schon mal ein Anfang. Und wer weiß, vielleicht wird der Blick nächste Woche noch viel schärfer gestellt.

Atommüll

Der Name mag manch Entscheidungsträger:Innen täuschen, aber Atommüll ist nicht winzig klein. Und nach menschlichen Maßstäben gemessen, benötigen wir eine Mülltonne für die Ewigkeit dafür. Eine sehr, sehr dichte und möglichst unkaputtbare Mülltonne. Die aktuelle Berichterstattung über die Probleme, die Frankreich gerade mit der Kühlung bekommt, weil durch die Dürre nicht genügend Wasser verfügbar ist, erinnert mich an einen Beitrag auf ARTE zum Atommüllendlager.

Da ging es vornehmlich um Frankreich und ein Atommülllager unter der Erde. Frankreich hatte den Bau gestartet, es wurden Bilder der Tunnel gezeigt. Ja, sicherlich sehr beeindruckend, aber noch beeindruckender fand ich den Beitrag eines älteren französischen Wissenschaftlers dazu. Er hat sich beinahe lustig darüber gemacht, wie die Menschen denken könnten, dass sie unterirdisch etwas bauen könnten, das eine Ewigkeit halten soll. Seine Argumentation enthielt mehrere Aspekte die klar machten, dass es kein *Endlager* geben kann. Also, gar keins.

Unterirdisch ist aufgrund der Plattentektonik eigentlich nicht möglich. Niemand weiß wann es wo durch die Bewegungen anfängt zu rumpeln. Und wir leben in einer ruhigen Erdphase, was das angeht. Es kommen auch wieder andere Jahre und das können diese unterirdischen Kammern sicherlich nicht auffangen. Die Erde ist immer in Bewegung und es müssen dann kontinuierlich unterirdisch aufwendige Instandsetzungen durchgeführt werden. Und aufwändig ist hier nur ein anderes Wort für teuer. Teuer ist immer schlecht. Wer weiß, wie es dem verantwortlichen Staat morgen geht? Was, wenn schlicht kein Geld mehr da ist, wer übernimmt die Rechnung dann?

Die Argumentation des Wissenschaftlers betrachtete auch überirdische Lager. Seiner Meinung nach würde nur diese Sinn machen, wenn man überhaupt darüber nachdenken möchte. Diese Lager können immer wieder nach dem aktuellen Stand der Technik angepasst und verbessert werden. Allemal besser als etwas in der Erde nach dem Motto „Aus den Augen, aus dem Sinn“ zu verbuddeln. Aber auch hier kommt er wieder darauf zurück, dass heute niemand sagen kann, was morgen ist. Welche Regierung ist an der Macht? Was ist, wenn es wieder Kriege mitten in Europa gibt? Jetzt haben wir einen und das Ende und Ausmaß ist noch nichtmal in Sichtweite.

Die Gefahr der akuten Verstrahlung von Mensch, Tier und Natur ist einfach immens und nicht zu kalkulieren. Trotzdem sind viele Politiker, getrieben von Industrielobbyisten, immer noch der Meinung, Atomstrom sei eine gute Idee. Dass es nach all den Jahrzehnten immer noch kein Konzept, keinen Plan, keine Lösung für den Abfall gibt, dass Fukushima im Grunde überall sein kann, scheint kein wichtiger Grund zu sein.

Für mich sieht es so aus, dass wir der Gefahr von Atomkraftwerken ausgesetzt werden, weil sich Politiker von Schurkenstaaten mit Rohstoffen abhängig gemacht haben. Immer wieder und immer weiter in die Abhängigkeit. Die Gier war und ist zu groß. Die Stimmen derer, die davor frühzeitig gewarnt haben, wurden nicht gehört. Absichtlich, wie wir alle wissen. Ich sehe es nicht ein, die Zukunft meiner Kinder und Enkel weiter durch die Gier einiger Weniger zu gefährden. Atomstrom ist nur ein Komplex von vielen Themen, die dringend geändert werden müssen.

Ein privilegierter Rückblick

Wenn mich jemand fragt woher ich komme, sage ich, dass ich im Ruhrpott geboren wurde und auch dort aufgewachsen bin. Rein geografisch ist das absolut richtig, aber der Definition „Ruhrpott“ nach, nur die halbe Wahrheit. Das sehe ich so, weil ich auch im Ruhrpott nie in einer großen Stadt wohnte. Unsere Familie lebte immer in Vororten, die zumeist recht grün waren. Heute lebe ich am Niederrhein im noch grüneren Umfeld.

Ich hatte Zeit meines Lebens Menschen aus anderen Ländern in meinem Freundes- und Bekanntenkreis. Viele meiner Freunde sind nicht hier geboren, oder ihr familiärer Hintergrund ist aus einem anderen Kulturkreis. Es ist fast egal wo du im Ruhrpott wohnst, er ist an vielen Stellen einfach ein farbenfroher Schmelztiegel.

Anders als meine Großeltern habe ich keine Berührungsängste. Nicht früher, nicht heute. In meinem kindlichen Gemüt habe ich die Warnungen vor diesen und jenen Leuten einfach nicht wahrgenommen. Dachte ich viele Jahre. Ich hielt mich immer für offen und als jemand, der keinen Anstoß an der Andersartigkeit unterschiedlichen Kulturen nahm. Irgendwann stellte ich aber fest, dass mein Verhalten in bestimmten Situationen nicht zu meiner (gedachten) Überzeugung passte.

Als Beispiel will ich nur einen Sachverhalt anführen, der exemplarisch für viele andere Situationen stehen soll, in denen ich mich plötzlich voller Scham betrachten musste. Ich parkte mit meinem Auto im Sommer in einer Stadt und wartete auf jemanden. Es war warm und die Fenster am Auto waren geöffnet. Eine Klimaanlage hatten meine Autos zu der Zeit noch nicht. Ich konnte den Bürgersteig gut überblicken und sah am Ende der Häuserfront eine Gruppe junger Leute um die Ecke kommen. Sie alle hatten dieses südländische Aussehen, von dem wir viel zu oft in den Nachrichten lesen und hören konnten. Automatisch schloss ich die Fenster und kontrollierte, ob die Türen abgeschlossen waren.

Anfänglich habe ich mir eingeredet, dass ich das auch bei einer anderen Gruppe gemacht hätte. Das ist aber falsch. Ich hätte es nicht getan. Diese Erkenntnis war ein Schlag ins Gesicht. Es gibt viele solcher Situationen, in denen ich mich so verhalten habe. Danach fing ich an zu überlegen, warum das so ist. Es ist im Grunde so einfach wie schauderhaft. In meiner Erinnerung sind viele Situationen, in denen meine Großeltern stur ihre im Nationalsozialismus gelernte Sicht auf „fremde Menschen“ wiedergaben.

Als Kind war ich einfach zu abgelenkt mit Abenteuern und Spielen, um das wirklich wahrzunehmen. Man kann sagen, ich habe diese schlimmen Aussagen und Wörter weg-gelacht. Doch sie machen etwas mit dir. Schleichend setzen sich diese Dinge fest und steuern irgendwann dein Verhalten. Erst bist du Kind, wächst in Mitten von anderen Kulturen auf, aber du benutzt auf der anderen Seite auch bestimmte Wörter, mit denen diese Kulturen, diese Menschen, abgewertet, diskriminiert, beleidigt werden. Ganz unbedarft, weil das alle machen. Es setzt sich fest in dir.

Als Erwachsener sagst du dann die Wörter nicht mehr, weil es sich nicht gehört. Du denkst sie aber noch, weil sie im Kopf sind. Fest verankert von Kindesbeinen an. Das ist das Erbe (nicht nur) meiner Generation. Die Großeltern geprägt vom Nazideutschland, oftmals selber nicht mehr fähig zu reflektieren. Ich kann das ein wenig verstehen, nach all dem Leid, Kummer und den Entbehrungen, dass einfach die Kraft gefehlt hat, das innerlich aufzuarbeiten. Scheiße ist es trotzdem.

Mir wird es flau ums Herz, wenn ich an die Zeit zurückdenke, wo wir ohne nachzudenken Menschen so schrecklich abwertend genannt haben, obwohl sie unsere Freunde waren. Und das schlimmste, was sie damals erwidern konnten, war Arschloch, oder andere ähnliche Schimpfwörter. Es sind Schimpfwörter. Was wir benutzten war rassistisch und diskriminierend. Es war beleidigend und abgrundtief schlecht. Ich frage mich, was diese Leute damals dabei gefühlt haben müssen. Nicht nur die Kinder, die mit uns zusammen waren, sondern ja gerade die Erwachsenen.

Ich kann gar nicht sagen, ob es bei mir dieses eine Erlebnis gab, welches mich zum Nachdenken brachte. Meine Vermutung ist, dass es die mediale Berichterstattung war, z.B. über die Angriffe auf die Flüchtlingsunterkünfte schon in den 90ern. Das hat sich immer weiter fortgesetzt. In der Schule behandelten wir sehr ausführlich Nazideutschland. Auch so ein Punkt in meinem Leben, der mir klar vor Augen geführt hat, was auf gar keinen Fall jemals wieder passieren darf. Ich habe mich schuldig gefühlt und mich geschämt.

Es hat trotzdem viele Jahre gedauert, bis in meinem Kopf ein klares Verständnis darüber herrschte, was ich früher für Begriffe benutzt habe. Auf der einen Seite ein klarer Gegner jedweder Unterdrückung, Diskriminierung und rassistischer Ausdrücke, aber auf der anderen Seite benutzte ich Wörter, die ganz klar diesen Gebieten zuzuordnen waren. Das, und das Verhalten welches ich weiter oben beschrieb, brachten mich dazu, sehr genau hinzuschauen und hin zuhören.

Anfänglich habe ich Begriffe nachgeschlagen, später im Internet nach Erklärungen und Herkunft gesucht. Es ist ein recht langer Weg aus den leicht verklärten Vororten mit dem gebräuchlichen Sprachgebrauch, hin zu einem Kopf, der nicht mehr in diesen Mustern denkt und arbeitet. Ein großer Fehler ist es in meinen Augen, hier z.B. von Akzeptanz zu reden. Wir brauchen nicht mehr Akzeptanz, sondern müssen mit der Ausgrenzung aufhören. Wir brauchen nicht mehr freundliche Wörter, wir müssen mit der Diskriminierung aufhören. Wir müssen nicht von fremden Kulturen sprechen, wir müssen mit dem Rassismus aufhören.

Mein Weg war, mir einzugestehen, dass das in mir drin ist und ich niemals ohne Fehler sein werde. Aber ich habe angefangen andere Menschen auf ihr Verhalten und ihren Sprachgebrauch hinzuweisen. Wir haben in unserer Familie offen darüber gesprochen und unserer Tochter diese Wörter direkt erspart. Wir haben ihr erklärt, so gut wir es konnten, was Rassismus, Diskriminierung und Sexismus sind und was das mit den Menschen macht. Jetzt ist ein Punkt erreicht, an dem sie mich hin und wieder so lapidar hinweist: „Das war jetzt aber sexistisch, Papa!“ und ich bin stolz darauf.

Für mich hat es funktioniert. Dieses Kind weiß sich auszudrücken, sie steht ein für andere und kennt es nicht anders, als sich gegen diese Formen der Unterdrückung zu wehren. Das war wichtig, denn für mich ist damit der erste Kreis der Hölle durchbrochen und zumindest das lässt mich das ein wenig hoffnungsfroher in die Zukunft schauen. Es ist an uns, dieses Kapitel hinter uns zu lassen.

Dieser Text ist entstanden, weil mich die Sendung Beste Instanz von Enissa Amani an meine eigenen Gedanken dazu erinnert hat. Ich kann die Sendung nur empfehlen, weil sie mir auch wieder gezeigt hat, dass wir das hier für uns in der Familie vielleicht gelöst haben, aber in der Gesellschaft ist noch sehr viel zu tun.

Na du

Tatsächlich ist es so, dass ich vor der Pandemie Xavier Naidoo überhaupt nicht wahrgenommen habe. Ich mochte seine Musik noch nie, fand ihn unsympathisch und deswegen fand er für mich gar nicht statt. Aus diesem Grund wusste ich auch nicht, dass er sich schon vor seinem Abstieg in die Verschwörungshölle antisemitisch geäußert hat.

Unabhängig davon, was ich von ihm halte, muss sich die Gesellschaft fragen, wie sie mit solchen Rückkehrern umgehen will. Im Netzt toben sich die Meinungen aus, er wird verteufelt, andere möchten ihm eine Chance geben. Ich kann nicht abschätzen wie tief sein Fall wirklich war, da ich nicht weiß, auf welcher Ebene der Verschwörungen er vorher stand. Für mich zählt, dass er, mit seiner Hetze und seinen Verschwörungstheorien, Menschen nachhaltig manipuliert und zu demokratiefeindlichem Verhalten ermuntert hat.

Von dort aus betrachtet ist ein drei Minuten Video mit einer Entschuldigen natürlich nicht genug. Wenn er es ernst meint, weiß er das auch. Da muss jetzt mehr kommen. Wenn sich Menschen voreilig auf den geläuterten Naidoo verlassen, könnten sie eine böse Überraschung erleben. Ich persönlich hege da so meine Zweifel. Meine Vermutung ist, wenn die Gesellschaft jetzt nicht umgehend mit offenen Armen reagiert, dreht sich das Karussell weiter und er wird ungehalten reagieren. Alles kann anders sein, aber ich wäre das sehr, sehr vorsichtig.

Er hat eine Chance verdient. Doch die Veränderung kann nicht von uns, der Gesellschaft, kommen, sie muss von ihm kommen. Er muss es wollen und das auch zeigen. Jeden Tag, offen und transparent. Es gibt viele Möglichkeiten sein Fehlverhalten glaubhaft hinter sich zu lassen. Das kleine Video ist ein Anfang. Mehr nicht.

Prima Klima

Ich gehöre zu den Menschen, die sich in ihrem Leben bisher wenig bis gar nicht mit Naturwissenschaften beschäftigt haben und auch nicht mussten. Das ist vorbei. Na ja, es hätte eigentlich nie so sein dürfen, denn die Klimakatastrophe ist da und es passiert zu wenig.

Zugegeben, die Thematik „Klima“ ist nicht ganz so einfach, wenn man sich durch wissenschaftliche Texte und Studien arbeiten muss. Aber um grundsätzlich zu verstehen, wie die Zusammenhänge sind und wie sich bestimmte Stoffe verhalten und was sie tun, gibt es ein tolles Buch.

„Den Klimawandel verstehen“ von Harald Lesch, Cecilia Scorza und Katharina Theis-Bröhl ist dieses tolle Buch. Auf 159 Seiten gibt es alles, um die grundlegenden Dinge zu verstehen. Vollkommen erstaunlich dabei ist, dass diese Seiten keinesfalls dicht beschrieben sind. Das wäre ja zu vermuten, aber die Autor:Innen sind einen anderen Weg gegangen.

Jede Seite ist eigentlich zwei Seiten. Die linke Seite mit Sketchnotes, in denen die wesentlichen Punkte grafisch leicht verständlich dargestellt sind, die rechte Seite mit weiteren Informationen oder Erläuterungen. Das ist super gemacht und fördert das Verständnis.

Der thematische Aufbau ist derart, dass die Leser:Innen zuerst über die Funktionen und Zusammenhänge der Atmosphäre unserer Erde aufgeklärt werden. Es geht dann weiter in das Klimasystem, den Klimawandel, die Auswirkungen unseres Handelns und was wir (Einzelnen) tun können, sowie einen Ausblick in die Zukunft mit kommenden Technologien und notwendigen Maßnahmen.

Das Buch versucht die Leser:Innen nicht verzweifelt zurück zu lassen. Angesichts der politischen Entscheidungen dieser Tage fällt es zugegebener Maßen leider schwer. Und doch hat das Buch Hinweise und Vorgehensweisen parat, für die es sich weiter einzusetzen gilt. Ich ganz persönlich sehe dieses Buch im Zusammenhang mit dem Buch „Autokorrektur“ von Katja Diehl. Beide bieten substantiell Wege und Mittel, die Katastrophe doch noch abzuwenden / abzumildern.

Lest das Buch!