Tausend Jahre

Tausend Jahre würde ich dich lieben

und finge dann von vorne an.

Tausend Jahre würde ich dich lieben

und entdeckte neue Stunden.

Tausend Jahre würde ich dich lieben

und kein Tag in Stille wäre dabei.

Tausend Jahre würde ich dich liebend

und vor allem weil ich es könnte.

Tausend Jahre würde ich dich lieben

und leckte alle deine Wunden.

Tausend Jahre würde ich dich lieben

und wünschte dich immer wieder herbei.

Vom Glück

Wenn ich hier sitze und mich umschaue, denke ich oft: „Geil, dass mein Leben so gut ist und ich mir vieles leisten kann.“ Mein Leben ist tatsächlich gut. Klar, es hat Höhen und Tiefen, doch überwiegend geht es mir, bzw. uns gut. Es fehlt uns an nichts. Bei einem tieferen Blick schmälert sich das Glücksempfinden zwar nicht, aber es wird deutlich, warum das so ist und warum es auch ganz anders sein könnte.

Bei Geschichten über Menschen, die sich angeblich alles selber erarbeitet haben, schlafe ich gewöhnlich nach den ersten zwei Sätzen ein. Noch nicht mal aus Langeweile, sondern weil ich weiß, dass das einfach nicht stimmt. Niemand ist eine Insel und schafft etwas komplett alleine. Das gilt selbstverständlich und ganz unbedingt auch für mich. Denn das Leben, das ich heute führe, wäre wegen verschiedenster Leute, die ich in bestimmten Situationen getroffen habe, einfach nicht möglich.

Das fängt schon ganz trivial damit an, dass ich niemals einen Tag arbeitslos war. Aber ganz ehrlich, das ist nicht meine eigene Leistung gewesen. Ich habe zwei Firmenpleiten mitgemacht. Zweimal gab es dort Menschen, die sich darum gekümmert haben, dass wir eine andere Stelle finden. Genauso, wie jemand dafür gesorgt hat, dass ich keinen Wehrdienst und keinen Zivildienst leisten musste, sondern einfach weiter arbeiten konnte. Ich bin diesen Menschen noch heute so dankbar dafür. Und mir ist klar, dass ich Glück hatte, das eben nicht jeder hat. Das einzige, das ich dazu beigetragen habe war, dass ich mich nie unterkriegen lassen wollte und auch in meinem Beruf gut war.

Und so ging es munter weiter in meinem Leben. Irgendwo gab es immer jemanden mit den richtigen Sätzen, den richtigen Ansporn oder Taten, die mich weitergebracht haben. Mein Beitrag war, dass ich mitgemacht habe. Ich bin auch gewachsen, habe mir Wissen angeeignet, das eigentlich kaum jemand hatte zu der Zeit. Doch auch mit allem Wissen, mitunter wirkliches Spezialwissen, wäre ich ohne Unterstützung und Hilfe von anderen Menschen eben nicht da, wo ich heute bin. Das Umfeld hat zufälligerweise gepasst.

Es muss uns allen klar sein, dass das nicht für jeden Menschen gilt. Nicht jeder hat dieses Glück. Viele sind begabt, viele wollen etwas erreichen, aber sie treten auf der Stelle, weil das Umfeld einfach nicht die Energie freisetzt, die sie dafür benötigen. Das mag sich nun etwas theatralisch anhören, aber wenn ich mich an meinen Werdegang erinnere, habe ich immer voller Dankbarkeit und Demut die Menschen vor Augen, die das tatsächlich geschehen lassen haben. Da sind Leute dabei, denen das vermutlich gar nicht klar ist. Doch hat ihr Handeln mich beflügelt, mich dahin getreten und mich wachsen lassen.

Das was wir selber machen, um etwas zu erreichen, kommt uns immer so unglaublich schwer, groß und mit hartem Einsatz verbunden vor. Doch guckt euch um, wenn ihr am Ziel seid und fragt euch, wer daran noch Anteil hatte. Ihr werdet sehen, dass ihr vermutlich niemals alleine dahin gekommen wärt. Seid einfach dankbar und zeigt es. Und natürlich sollt ihr auch Stolz auf euch sein 🙂

Entscheidungen

Erziehung ist oftmals ein heikles Thema, wenn man sich mit anderen Eltern unterhält. Nicht selten bleibe ich zurück und frage mich ernsthaft, ob ich etwas falsches im Kopf habe. Um es vorweg zu nehmen: Nein, mein Umgang mit Situationen und meine Entscheidungen sind nicht falsch. Aber nicht in allen Fällen auf andere Menschen übertragbar.

Unsere Teen wächst heran und darf nach dem nächsten Geburtstag Bier trinken, rein rechtlich betrachtet. Wir unterhalten uns in der letzten Zeit immer mehr über komplexe Themen, die ihr Leben und ihre Zukunft betreffen. Ich sehe, dass sie sich Gedanken macht, abwägt und sich eine Meinung bildet. Und, was ich ganz wichtig finde, sie macht diesen Prozess durch, bevor sie mit uns darüber spricht.

Die Jahre mit Kindern haben mir gezeigt, dass die Leitplanken und Optionen, die wir als Eltern anbieten, der Grundstock für alles spätere sind. Als ganz junger Vater war mir das selbstverständlich nicht klar. Da musste ich erstmal verstehen, was meine Eltern bei mir verkorkst hatten, um aus dem Karussell auszusteigen.

Die Teen trifft Entscheidungen. Ich würde mir nicht mehr anmaßen, die aus meiner Sicht heraus, hm, zu kritisieren. Kritisieren ist ein doofes Wort dafür, aber mir fällt gerade kein anderes ein. Eigentlich kritisiere ich eh wenig bis gar nicht. Ist halt das Ding mit Vertrauen und Akzeptanz.

Für uns ist es wichtig, dass wir Vertrauen haben. Vertrauen darauf, dass Entscheidungen durchdacht wurden und Vertrauen darauf, dass wir da sind, wenn etwas nicht wie erhofft funktioniert. Ich glaube, ohne dieses Vertrauen würde das Leben mit seinen Entscheidungen ein ständiger Eiertanz mit einem Stressball in der Hand sein.

Heute habe ich der Teen im Gespräch gesagt, dass sie alles machen kann, was sie möchte. Wenn sie Künstlerin werden möchte, dann wird sie das. Wenn sie eine Ausbildung zu was auch immer machen möchte, soll sie es machen. Möchte sie auf die Uni, bitte, hier geht es lang. Es ist ihr Leben. Ihre Entscheidungen. Natürlich mit den Konsequenzen, die sich mitunter daraus ergeben.

Das ist für einige Menschen die ich kenne undenkbar. Da sind alle Planungen schon kurz nach, manchmal auch vor, der Geburt fertig. Der Weg ist gesetzt. Keiner von denen versteht, wie viel Unglück man damit in das Leben der Kinder bringen kann. Sie werden eventuell Zeit ihres Lebens an diesen Entscheidungen, die für sie getroffen wurden, leiden (und gar nicht wissen warum es ist wie es ist).

Ich bin fest davon überzeugt, dass es einen Weg gibt, Kinder dahin zu bringen, dass sie auf der Grundlage ihrer Erfahrungen und des Vertrauens aus dem familiärem Umfeld, eigenständig und überlegt zu handeln. Sie werden es sicherlich anders tun als wir. Vielleicht besser, aber in jedem Fall ist selbstbestimmtes Handeln der kürzere Weg zu einem glücklichen Leben. Wie auch immer das empfundene Glück dann aussieht.

Wir dürfen nie vergessen, dass es nicht unser Leben ist. Es ist das Leben eines Menschen mit eigenen Erfahrungen, vermutlich trotzdem durch unsere Muster geprägt, aber so aufgebaut, dass der Mut zur Entscheidung da ist. Was sich für uns dann wie Kontrollverlust anfühlt (und auch ist). Und das ist gut so.

Kurzer Aussetzer

Wenn ich jetzt mehr darüber nachdenke, weiß ich gar nicht, was mich dazu getrieben hat, wie mir dieser unsinnige Gedanke hatte kommen können. Ich vermute ja stark, dass ich derartig tief eingebunden war, dass mein Kopf irgendwie eine Fehlschaltung hatte.

Vor zwei Tagen hatte ich einen harten Arbeitstag. Gegen Ende wollte ich nochmal im Intranet des Unternehmens etwas nachschauen. Dabei stolperte ich über ein Lesezeichen, das ich mir vor Jahren wohl wider besseren Wissens abgelegt hatte. BYOD – Bring your own device. Das ist eine Möglichkeit seine eigenen mobilen Geräte mit in das Firmennetzwerk einzubinden. Man hat dann Zugriff auf Kalender, Mails und Sharepoint, sprich, alles was mit dem MS Office 365 zu tun hat.

Wie bereits gesagt, ich habe immer noch keine Ahnung was mich trieb, aber ich installierte nach kurzem Blick in die Anleitung das entsprechende Profil auf meinem iPad. Zugegeben, es ist sehr einfach und schnell gemacht. Das kenne ich auch anders. Danach installierte ich aus dem Firmen-Appstore die entsprechenden Office Programme und fand das auf eine sehr eigentümliche Weise gut. Ab sofort hatte ich dauerhaft Zugriff auf meine Mails und Termine.

Ich könnte langatmig ausschmücken, wie mich jedes Entsperren des iPads runter zog, weil ich einfach nicht aus dem Arbeitsmodus entkommen konnte. Dabei habe ich genau das vor Jahren in mühseliger Anstrengung für mich gelernt und beibehalten. Aber jetzt sprangen mich immer direkt die Mailbenachrichtigungen an. Wenn in Deutschland niemand mehr im Büro ist, sitzen die Kolleg:Innen rund um den Globus in ihren Zeitzonen vor den Rechnern und versenden Mails, Termine und Dokumente.

Es hat nur ein paar Stunden gedauert bis mir klar war, dass ich das umgehend beenden muss. Selbst im Bett liegend wusste ich nach einem Blick auf das iPad, welche Mails ich morgen lesen und beantworten musste. Das ist kein Zustand. Am nächsten Morgen deinstallierte ich sofort und ohne innerlichen Einspruch das Firmenzertifikat und alle damit verbundenen Programme.

Seitdem frage ich mich ernsthaft, wer so etwas wirklich macht und auch genauso möchte. Ich kann es mir einfach nicht vorstellen. Damit ist diese viel beschworene Work-Life-Balance vollkommen kaputt. Es gibt sie einfach nicht mehr. Vielleicht ist das etwas für Selbstständige, die komplett selber für sich verantwortlich sind und immer alle Informationen haben und verarbeiten müssen. Für mich als abhängig Angestellter eines größeren Unternehmens muss das ganz sicher nicht sein. Niemals und ganz und gar nicht.

Na du

Tatsächlich ist es so, dass ich vor der Pandemie Xavier Naidoo überhaupt nicht wahrgenommen habe. Ich mochte seine Musik noch nie, fand ihn unsympathisch und deswegen fand er für mich gar nicht statt. Aus diesem Grund wusste ich auch nicht, dass er sich schon vor seinem Abstieg in die Verschwörungshölle antisemitisch geäußert hat.

Unabhängig davon, was ich von ihm halte, muss sich die Gesellschaft fragen, wie sie mit solchen Rückkehrern umgehen will. Im Netzt toben sich die Meinungen aus, er wird verteufelt, andere möchten ihm eine Chance geben. Ich kann nicht abschätzen wie tief sein Fall wirklich war, da ich nicht weiß, auf welcher Ebene der Verschwörungen er vorher stand. Für mich zählt, dass er, mit seiner Hetze und seinen Verschwörungstheorien, Menschen nachhaltig manipuliert und zu demokratiefeindlichem Verhalten ermuntert hat.

Von dort aus betrachtet ist ein drei Minuten Video mit einer Entschuldigen natürlich nicht genug. Wenn er es ernst meint, weiß er das auch. Da muss jetzt mehr kommen. Wenn sich Menschen voreilig auf den geläuterten Naidoo verlassen, könnten sie eine böse Überraschung erleben. Ich persönlich hege da so meine Zweifel. Meine Vermutung ist, wenn die Gesellschaft jetzt nicht umgehend mit offenen Armen reagiert, dreht sich das Karussell weiter und er wird ungehalten reagieren. Alles kann anders sein, aber ich wäre das sehr, sehr vorsichtig.

Er hat eine Chance verdient. Doch die Veränderung kann nicht von uns, der Gesellschaft, kommen, sie muss von ihm kommen. Er muss es wollen und das auch zeigen. Jeden Tag, offen und transparent. Es gibt viele Möglichkeiten sein Fehlverhalten glaubhaft hinter sich zu lassen. Das kleine Video ist ein Anfang. Mehr nicht.

Prima Klima

Ich gehöre zu den Menschen, die sich in ihrem Leben bisher wenig bis gar nicht mit Naturwissenschaften beschäftigt haben und auch nicht mussten. Das ist vorbei. Na ja, es hätte eigentlich nie so sein dürfen, denn die Klimakatastrophe ist da und es passiert zu wenig.

Zugegeben, die Thematik „Klima“ ist nicht ganz so einfach, wenn man sich durch wissenschaftliche Texte und Studien arbeiten muss. Aber um grundsätzlich zu verstehen, wie die Zusammenhänge sind und wie sich bestimmte Stoffe verhalten und was sie tun, gibt es ein tolles Buch.

„Den Klimawandel verstehen“ von Harald Lesch, Cecilia Scorza und Katharina Theis-Bröhl ist dieses tolle Buch. Auf 159 Seiten gibt es alles, um die grundlegenden Dinge zu verstehen. Vollkommen erstaunlich dabei ist, dass diese Seiten keinesfalls dicht beschrieben sind. Das wäre ja zu vermuten, aber die Autor:Innen sind einen anderen Weg gegangen.

Jede Seite ist eigentlich zwei Seiten. Die linke Seite mit Sketchnotes, in denen die wesentlichen Punkte grafisch leicht verständlich dargestellt sind, die rechte Seite mit weiteren Informationen oder Erläuterungen. Das ist super gemacht und fördert das Verständnis.

Der thematische Aufbau ist derart, dass die Leser:Innen zuerst über die Funktionen und Zusammenhänge der Atmosphäre unserer Erde aufgeklärt werden. Es geht dann weiter in das Klimasystem, den Klimawandel, die Auswirkungen unseres Handelns und was wir (Einzelnen) tun können, sowie einen Ausblick in die Zukunft mit kommenden Technologien und notwendigen Maßnahmen.

Das Buch versucht die Leser:Innen nicht verzweifelt zurück zu lassen. Angesichts der politischen Entscheidungen dieser Tage fällt es zugegebener Maßen leider schwer. Und doch hat das Buch Hinweise und Vorgehensweisen parat, für die es sich weiter einzusetzen gilt. Ich ganz persönlich sehe dieses Buch im Zusammenhang mit dem Buch „Autokorrektur“ von Katja Diehl. Beide bieten substantiell Wege und Mittel, die Katastrophe doch noch abzuwenden / abzumildern.

Lest das Buch!

Schwarzes Herz

Ab einem Punkt legst du das Buch nicht mehr weg, du musst es durchlesen, weil du hoffst, dass am Ende alles gut wird.

So habe ich das Buch von Jasmina Kuhnke erfahren. Ich fing an zu lesen und durfte nicht mehr stoppen. Normalerweise würde ich über ein Buch, das mich derartig in den Bann zieht, schreiben, dass es ein gutes Buch ist. Hier widerstrebt es mir in solchen Kategorien zu denken.

Jasmina erzählt, wie sie aufgewachsen ist. Der Inhalt ist so persönlich wie grausam. Selbstverständlich gibt es Menschen, die das Geschehene als emotionale Übertreibung abtun. Genau diese Menschen stehen auf der anderen Seite, sind nicht betroffen vom Rassismus, der in so unfassbar vielen Facetten mal offen, mal verdeckt auf die Betroffenen einschlägt.

Ich bin 12 Jahre älter als die Autorin, weiß und grundsätzlich privilegiert aufgewachsen. Armut kenne ich nicht. Als Jasmina geboren wurde, habe ich mir mein erstes Iron Maiden Album gekauft. Ich bin ein Jugendlicher aus den 80ern und pubertierte als Pommesbudengeneration so vor mich hin. Wenn Jasmina in ihrem Buch vom Umgang mit Menschen anderer Herkunft oder Hautfarbe schreibt, nicke ich zustimmend.

Ich war mit einem etwas älteren Jungen aus dem Senegal befreundet. Er bot sich an, mir Englisch beizubringen, meine Eltern wollten „so einen“ aber lieber nicht in der Wohnung haben. Am Ende saßen wir in der Kneipe und tranken Bier, während wir uns auf Englisch unterhielten. Ich war oft bei unseren türkischen Nachbarn zum Essen eingeladen, weil ich mit den Kindern der Familie spielte. Meine Oma schüttelte sich und bemerkte bissig, dass ich aufpassen soll was ich da esse.

Ich habe Menschen nie so gesehen. Ich weiß nicht warum, denn das Umfeld war komplett anders. Und genau das ist, was Jasmina Kuhnke erlebt hat. In allen perversen Ausprägungen. Sie beschreibt eindrücklich, was Rassismus mit ihr und ihrem Leben gemacht hat. Ich habe oben geschrieben, dass ich genickt habe zu ihren Ausführungen, weil ich das kenne. Das bedeutet nicht, dass ich auch nur ansatzweise wüsste, wie dem Rassismus ausgesetzte Menschen sich fühlen. Ich habe nur gesehen und gehört, wie grausam Menschen mit anderen Menschen umgehen. Fühlen oder erfahren musste ich das nie.

Deswegen ist das Buch „Schwarzes Herz“ so wichtig. Es ist von der Autorin ein Statement, eine Anklage und eine Befreiung gleichermaßen. Für uns ist es ein Spiegel, ein Schlag ins Gesicht und ein Ansporn. Wir müssen unseren Blick auf die Menschen fokussieren, nicht auf unsere eigenen, irrationalen Ängste vor, ja, vor was denn eigentlich?

Wenn wir es schaffen den Menschen zu sehen, dann wird vielleicht irgendwann alles gut. Jasmina und allen anderen Menschen mit diesen Horrorerfahrungen wünsche ich das aus tiefstem Herzen.

Lest das Buch!

Cover "Schwarzes Herz" von Jasmina Kuhnke
Cover „Schwarzes Herz“ von Jasmina Kuhnke

Lebendig begraben

Die Welle rollt. Wir werden irgendwohin gespült, ohne dass wir großen Einfluss nehmen könnten. Vielleicht wachen wir an einem Strand auf, vielleicht auch nicht.

Gestern erst sagte man mir, man könne ja nicht mit dem Leben aufhören. Nein, natürlich nicht, aber ich fange auch nicht aus Eigensinn mit dem Sterben an. Ja, es ist schwer, ja es ist belastend, ja. Immer alles ja (außer Verschwörungstheorien).

Ich betrachte recht nüchtern meine Verantwortung und die ist, meine Familie gesund durch diese Zeit zu bringen. Dazu gehört sicherlich ein gewisser Verzicht.

Auf was verzichten wir aktuell? Wir hier lediglich auf die Treffen mit einem Teil der Familie und ggf. auf den Besuch eines Restaurants.

Freunde kommen, oder wir gehen hin. Aber immer in Abstimmung mit den Umständen der Familien. Wir sagen uns Gegenseitig was wo wie der Status ist. Wenn wir ein mulmiges Gefühl haben, verschieben wir einvernehmlich auf ein anderes Datum. Wir nehmen an den Leben unsere Freunde teil, sodass jeder Bescheid weiß und die Situation einschätzen kann.

Nein, wir hören nicht mit dem Leben auf. Ich weigere mich aber Menschen zu treffen, die ich sonst auch nur einmal im Jahr sehe. Dieses Risiko kann ich guten Gewissens ausschließen. Zumal ich doch nicht weiß, wen und was und wo die sich sonst aufhalten. Eventuell sind am Ende noch Aluhüte dabei. Kandidaten hätte ich da welche.

Nein, wir hören nicht mit dem Leben auf, wir treffen Vorkehrungen und schützen uns und andere bestmöglich. Ich verstehe nicht, was daran nicht zu begreifen ist.

Nein, wir hören nicht mit dem Leben auf, weil wir nicht mehr regelmäßig zum Einkaufen gehen. Unsere Geschäftsbesuche seit Februar können wir vermutlich an zehn Fingern abzählen. Wir haben bisher recht gut aus dem Garten, mit Picnic und Flaschenpost überlebt.

Nein, wir hören nicht mit dem Leben auf, weil wir versuchen an der Schule Einfluss zu nehmen und die Hygienekonzepte hinterfragen. Man hätte insgesamt schon vorher viel mehr hinterfragen müssen, dann wäre ggf. die Problematik der Schule, sich auf aktuelle Ereignisse einzustellen, schon viel früher aufgefallen. Jetzt stehen wir da und fragen uns ernsthaft, wie wir das Kind gesund über den Winter kriegen.

Nein, wir hören nicht mit dem Leben auf. Zu keiner Zeit. Wir passen uns nur an und machen, was nötig ist. Wir hören was die Virologen sagen, was die Politiker sagen, was das RKI meldet und maßen uns an, dazu eine Meinung bilden zu können und abzuleiten, was wir selber uns und anderen zutrauen können. Grundgedanke ist immer der Schutz aller Beteiligten. Wenn es nur um uns ginge, würden wir uns ja so verhalten wie der unbelehrbare Teil der Bevölkerung.

Lebendig begraben sind die, die sich nicht anpassen können, die nur sich sehen, nur sich am wichtigsten halten, weil ihre Welt sich nur um sie dreht. Ihr seid die Toten, die zu Lebzeiten schon im eigenen Grab hin und her eilen, zu den Takten des Programms*. Graue Leute, die dafür protestieren, niemals etwas zu ändern, unfähig zu abstrahieren. Ihr trefft euch mit weiteren grauen Leuten, um die Wahrheit, die es nicht gibt, in eurer Echokammer immer und immer wieder zu wiederholen. Eure Echokammer ist das Grab, in dem ihr lebendig hin und her eilt und der Rest der Welt euch schon längst überholt hat.

Am Ende sind wir es, die auf der Welle geritten sind, die Verluste erleiden mussten und konnten. Wir warten nicht auf euch, wir gehen weiter mit dem Leben in Liebe.

*Danke an die Band Dackelblut für dieses Album mit diesem Titel 🙂